Süddeutsche Zeitung

Corona-Krise:Hoffnung am Arbeitsmarkt

Endlich sinkt die Zahl der Jobsucher wieder. Nun müssen sich die Deutschen auf die Wirtschaft der Zukunft vorbereiten.

Von Alexander Hagelüken

Endlich ist der Sommer da, und er bringt nicht nur gutes Wetter. Nach schweren Monaten löst sich langsam der Griff der Pandemie auf die Berufswelt. Die Arbeitslosigkeit schrumpfte im Juni so stark, wie das zuletzt in einem Juni vor zehn Jahren der Fall war. Nun gilt es, die richtigen Lehren aus der Pandemie zu ziehen - und die Menschen in Deutschland auf die Wirtschaft der Zukunft vorzubereiten.

Was wäre ein vorläufiges Fazit der Corona-Krise? Widerlegt sind jene Untergangspropheten, die von überzogenen Gesundheitsmaßnahmen gegen die Pandemie redeten - und als Konsequenz Massenentlassungen voraussagten. Nach dem Ausbruch von Corona gab es zwar über eine halbe Million Jobsucher mehr. Davon sind jedoch fast die Hälfte wieder beschäftigt. Die Regierung hat also Gesundheit und Arbeitsplätze geschützt.

Das schaffte sie nur, weil sie jene liberalen Stimmen ignorierte, die den Arbeitsmarkt im Grunde nicht sehr anders behandeln wollen als jeden anderen Markt. Hätte die Regierung die Dinge laufen lassen, stünden heute viele Bürger auf der Straße. Stattdessen gab Arbeitsminister Hubertus Heil viel Geld für Kurzarbeit aus.

Warnung vor Zombiefirmen

Der SPD-Politiker ignorierte dabei auch jene liberalen Stimmen, die im Herbst 2020 vor einer Massenpopulation sogenannter Zombiefirmen warnten. Weil diese Spezies immer noch nicht aufgetaucht ist, darf sich der Minister bestätigt fühlen: Er erhielt massenhaft Stellen, nach manchen Studien sind es zwei bis drei Millionen.

Zugleich deckte die Corona-Krise Schwächen des deutschen Wirtschaftssystems auf. So gingen seit vergangenem Frühjahr viele 450-Euro-Stellen verloren. Betroffene bekamen kein Arbeitslosengeld. Die Minijobs legen damit noch einen weiteren Nachteil offen. Wer sie mehr als nur nebenbei ausübt, verdient zu wenig und wird im Alter arm. Das wusste man schon. In der Pandemie zeigte sich nun auch, dass eine Mini-Stelle in einer Krise gleich weg ist und dann Hartz IV winkt.

Es wird höchste Zeit, die Sozialabgabenfreiheit abzuschaffen, die 450-Euro-Jobber genießen. Diese hält Geringqualifizierte, Alleinerziehende und wieder in den Beruf einsteigende Mütter oft davon ab, mehr Stunden zu arbeiten und so auf einen höheren Verdienst zu kommen. Denn oberhalb von 450 Euro zahlen sie Sozialabgaben und haben damit viel mehr Abzüge.

Minijobs sind höchstens sinnvoll für Studenten oder Rentner, die eh keinen richtigen Job anstreben. Für andere sind sie ein Ticket in die Bedürftigkeit. Die Politik sollte stattdessen die Sozialabgaben generell für Tätigkeiten bis 1800 Euro im Monat reduzieren - und nicht die Minijobs ausweiten, wie Union und FDP vorschlagen.

Es gibt noch mehr politischen Handlungsbedarf. Die Regierung hat in der Corona-Krise zwar Schlimmeres verhindert. Doch ein Wirtschaftseinbruch dieses Ausmaßes hinterlässt natürlich Spuren. Die Arbeitslosigkeit dürfte frühestens in zwei Jahren wieder so niedrig sein wie vor der Krise.

Richtig anspruchsvoll wird dieser Aufholprozess durch den Strukturwandel der Wirtschaft, der bestehende Arbeitsplätze permanent infrage stellt. Dieser Wandel etwa zur Digitalisierung wurde durch die Pandemie nicht gebremst, so wie die Lernfortschritte in Schulen, Unis und Weiterbildungsstätten. Er wurde beschleunigt.

Das ist eine hochgefährliche Kombination. Auf der einen Seite schwinden klassische Jobs in Geschäften, Fluglinien und Hotels, weil die Menschen mehr online einkaufen und Dienstreisen durch Videokonferenzen ersetzen. Auf der anderen Seite stockte die Vorbereitung heutiger und künftiger Arbeitnehmer auf veränderte Berufsbilder und ganz neue Tätigkeiten.

Die nächste Regierung muss eine Bildungsinitiative starten. Es war falsch, Zuschüsse zur Kurzarbeit an die Firmen nicht stärker an die Pflicht zu knüpfen, Beschäftigte weiterzubilden. Gleichzeitig haben die Bildungsverantwortlichen Studentinnen und Schüler in der Pandemie oft alleingelassen, ganz so, als sei digitale Lehre unmöglich. Solche Defizite dürfen nicht zum bleibenden Erbe der Corona-Krise werden.

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