Arbeitsmarktpolitik:Krise trifft Geringqualifizierte besonders hart

Erntehelfer in Brandenburg

Erntehelfer auf einem Spargelfeld: Vor allem für Menschen in sogenannten Helfer-Jobs hat die Krise die Probleme verschärft.

(Foto: Paul Zinken/dpa)

Gerade für Langzeitarbeitslose und Menschen in sogenannten Helfer-Jobs ist die Lage schlecht. Viele werden es schwerer haben, wieder eine Stelle zu finden.

Von Thomas Öchsner, München

500 000 Arbeitslose mehr, 22 Milliarden Euro für Kurzarbeitergeld im vergangenen Jahr, viele junge Menschen, die vergeblich nach einem Ausbildungsplatz suchen - "die Pandemie hat den deutschen Arbeitsmarkt erschüttert. Aber das große Beben ist ausgeblieben", sagt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Durch die Kurzarbeit sei es gelungen, in der Spitze bis zu drei Millionen Arbeitsplätze zu retten, sagt der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele. Trotzdem hinterlässt die Pandemie tiefe Spuren am deutschen Jobmarkt. Verlierer werden laut Scheele vor allem Geringqualifizierte sein, darunter viele Migranten und Ausländer, bei denen oft mehrere Probleme zusammenkommen: geringe Sprachkenntnisse, fehlende Berufsausbildung, zeitlich befristete Arbeitsverträge.

Ein Jahr nach dem ersten Lockdown zogen Heil und Scheele in Berlin Bilanz. Mit Zahlen, die der Arbeitsminister als "gigantisch" bezeichnete: Auf dem Höhepunkt der Krise waren demnach sechs Millionen Arbeitnehmer in Kurzarbeit, fast 20 Prozent der Beschäftigten mit einem sozialversicherungspflichtigen Job. Derzeit dürften es immer noch 2,6 Millionen sein. Teilweise wurden an einem Tag 500 Millionen Euro für Kurzarbeitergeld ausgegeben - 2019 waren es im Jahr 157 Millionen Euro. Die Zahl der Arbeitslosen stieg um eine halbe Million auf etwa 2,9 Millionen im Februar 2021. Es gab aber "keine Entlassungswelle", sagt Scheele. Vielmehr blieben viele arbeitslos, weil Stellenangebote fehlten.

"Das sind die Opfer und Leidtragenden der Krise"

Das trifft besonders Langzeitarbeitslose. 2019 war ihre Zahl bis auf unter 700 000 gesunken, jetzt sind nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) wieder eine Million Menschen mehr als ein Jahr ohne Job - so viele wie 2016. Dies zu ändern sei jetzt "ungleich schwerer" als vor ein paar Jahren, sagt Scheele. Vor allem Jobs für sogenannte, meist gering qualifizierte "Helfer", die vor Ausbruch der Pandemie von einer Sonderkonjunktur profitiert hätten, "werden nicht wiederkommen", warnt er. "Das sind die Opfer und Leidtragenden der Krise."

Der BA-Chef fordert den Bundestag deshalb auf, unbedingt noch vor den nächsten Wahlen Prämien für Umschulungen zu beschließen. Es könne nicht sein, dass Arbeitslose 1,50 Euro für einen Ein-Euro-Job bekämen, aber keine Prämie für eine neue Ausbildung. Heil kündigte an, die Regeln für einen vereinfachten Zugang zum Kurzarbeitergeld bis Ende Juni verlängern zu wollen. Dies sei wichtig, um Betrieben zu helfen, die ihre Mitarbeiter in der Krise behalten wollen. Die Kurzarbeit sei sehr teuer, aber Massenarbeitslosigkeit "um ein Vielfaches teurer". Den "Schutzschirm für Ausbildung", der für bestimmte Betriebe sogar eine Verdopplung der Prämien vorsieht, wenn sie die Zahl ihrer Ausbildungsplätze stabil halten oder aufstocken, werde die Regierung voraussichtlich nächste Woche verlängern.

Heil und Scheele zeigten sich besorgt wegen der Lage am Ausbildungsmarkt. 2021 müsse ein "Jahr der Ausbildung" werden, fordert Heil. Scheele warnt: "Ein Jahrgang Corona", der keinen Ausbildungsplatz bekommen habe, sei schwer wieder in eine Ausbildung zurückzuholen, "wenn er erstmal weg ist".

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