Süddeutsche Zeitung

Arbeitslosigkeit:Geteiltes Leid ist doppeltes Leid

Arbeitslose sind psychisch labiler und sterben früher als der Durchschnitt. Wirtschaftsforscher haben nun beobachtet, dass eine Kündigung auch die Gesundheit des Partners in Mitleidenschaft zieht. Männer und Frauen reagieren allerdings unterschiedlich.

Von Guido Bohsem, Berlin

Über die meisten Menschen kommt die Arbeitslosigkeit wie ein Schicksalsschlag. Eben verdiente man noch Geld, war in einen festen Tagesablauf eingebunden, fand Bestätigung, Erfüllung. Im nächsten Moment bricht alles weg. Selbstzweifel entstehen und Existenzängste. Längst ist nachgewiesen, dass Arbeitslose häufiger rauchen, früher sterben und öfter unter psychischen Krankheiten leiden. Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) haben nun herausgefunden, dass auch die Gesundheit der Partner deutlich in Mitleidenschaft gezogen wird und somit die persönlichen und gesellschaftlichen Kosten höher sind als bislang gedacht.

Die Forscher werteten dafür Daten des Sozio-oekonomischen Panels aus, für das jedes Jahr mehr als 15 000 Privathaushalte befragt werden. Untersucht wurden hauptsächlich Paare, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, weil ihre Betriebe dichtgemacht wurden. So wurde ausgeschlossen, dass nicht umgekehrt die psychische Gesundheit die Ursache für die Arbeitslosigkeit ist. Je mehr Punkte die Befragten erreichten, als umso gesünder gelten sie.

Wie zu erwarten, stellten die Forscher zunächst fest, dass die psychische Gesundheit der Entlassenen sank und zwar im Schnitt um 2,3 Punkte. Durch die neue Situation sanken auch die Werte der Ehepartner durchschnittlich um 1,9 Punkte und damit nur geringfügig weniger, wie die Forscher anmerken. "Das legt nahe, dass Arbeitslosigkeit die mentale Gesundheit beider Partner gleichermaßen beeinträchtigt", heißt es in der Untersuchung.

Männer leiden stärker als Frauen

Männer litten offenbar stärker unter der Kündigung als Frauen, denn ihre Werte sanken laut Untersuchung um 2,62 Punkte, während die der Frauen nur um 1,76 Punkte nach unten gingen. Zudem verschlechtern sich auch die Werte der Ehepartnerinnen stärker, wenn die Männer arbeitslos werden als umgekehrt. Dies wird allgemein damit erklärt, dass Arbeitslosigkeit von Männern stärker als Makel empfunden wird, weil sie dem herkömmlichen Vollverdiener-Rollenbild anhängen. Frauen arbeiten hingegen häufiger in Teilzeit und tragen somit weniger zum Einkommen der Familie bei. Diese Vermutung wurde allerdings durch die Untersuchung nicht eindeutig bestätigt, schreiben die Wissenschaftler. "Denn auch die Arbeitslosigkeit der Frau reduziert die psychische Gesundheit beider Partner."

Die Forscher ziehen aus der Untersuchung den Schluss, dass durch Arbeitslosigkeit deutlich höhere Kosten für das Gesundheitssystem entstehen als bislang angenommen. "Arbeitsmarktpolitische Entscheidungen, die Arbeitslosigkeit verhindern, verringern damit auch die Kosten für das Gesundheitssystem", heißt es in der Studie weiter. Diese Erkenntnis müsse auch das Verhältnis von Kosten und Nutzen arbeitspolitischer Maßnahmen zugunsten der Maßnahmen berücksichtigen.

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SZ vom 27.05.2014/kfu
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