Süddeutsche Zeitung

Pandemie:Dem Arbeitsmarkt droht Unheil

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Im Dezember ist die Arbeitslosigkeit nur ganz leicht gestiegen. Doch es gibt deutliche Warnzeichen, dass sich die Lage verschlechtert - und bald wieder mehr Menschen einen Job suchen.

Von Alexander Hagelüken

Noch ist die Lage gut. Die Zahl der Arbeitslosen sank in den letzten Monaten 2021 weiter. Doch die nicht enden wollende Corona-Pandemie wirft ihre Schatten voraus. Neue Varianten wie Omikron bremsen die Erholung von der Krise. So könnte passieren, was seit Langem nicht geschah: Mehr Menschen ohne Job.

Noch lässt sich von einem durchschlagenden Erfolg sprechen. Als die deutsche Wirtschaft in der Pandemie 2020 ihren zweitstärksten Einbruch seit dem Zweiten Weltkrieg erlitt, gab es sofort Hunderttausende Arbeitslose mehr. Seitdem aber ging es stetig aufwärts. Staatlich bezuschusste Kurzarbeit verhinderte Massenentlassungen. Nach und nach fanden immer mehr Menschen Arbeit - bis Ende 2021.

"Der Arbeitsmarkt hat sich zum Jahresende gut entwickelt", sagt Detlef Scheele, Chef der Bundesagentur für Arbeit. "Die Unternehmen melden wieder so viele offene Stellen wie vor der Pandemie" - aktuell sind es 800 000. Im Dezember stieg die Arbeitslosigkeit nur ganz leicht. Rechnet man Saisonfaktoren raus, etwa dass im Winter Baustellen ruhen, gab es sogar weniger Arbeitslose. Im Dezember suchten nur noch 2,33 Millionen Bürgerinnen und Bürger einen Job. Das waren 400 000 weniger als ein Jahr zuvor - und wenig mehr als vor Ausbruch der Pandemie.

Doch jetzt gibt es deutliche Warnzeichen, dass die Lage sich verschlechtert. So sinkt seit Monaten das Jobbarometer, mit dem das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) misst. Im Dezember schrumpfte es so stark wie seit Frühjahr 2020 nicht mehr - beim Ausbruch der Pandemie. Deshalb droht eine Wende: "Die Arbeitslosigkeit wird wahrscheinlich in den nächsten Monaten zunehmen", sagt Agenturchef Scheele.

"Wir haben bei Langzeitarbeitslosen noch einige Jahre mit den Folgen der Krise zu kämpfen"

"Die Omikron-Variante zieht die Corona-Krise weiter in die Länge", analysiert IAB-Wissenschaftler Enzo Weber. Zwar werde der Arbeitsmarkt auch bei einem erneuten Lockdown nicht einbrechen. "Viele Firmen werden ihre Leute halten." Gerade für Langzeitarbeitslose, die mehr als ein Jahr aus dem Job sind, werde die verlängerte Krise allerdings kritisch. "Wir haben bei Langzeitarbeitslosen noch einige Jahre mit den Folgen der Krise zu kämpfen", erwartet Detlef Scheele.

Warnzeichen gibt es auch bei der Kurzarbeit. Steigende Infektionen verunsichern die Konsumenten. Insbesondere Geschäfte, Hotels und Restaurants schicken wieder mehr Beschäftigte in Kurzarbeit. Es gibt Anzeichen für Entlassungen. Dazu kommen Lieferengpässe für wichtige Vorprodukte wie Chips, die die Industrie und inzwischen auch das Handwerk beeinträchtigen.

Agenturchef Scheele rechnet damit, dass die Arbeitslosigkeit im Januar und im Februar zunehmen könnte. Die weitere Entwicklung hänge stark von der Pandemie ab. "Omikron wird zu einer weiteren harten Belastungsprobe für die deutsche Wirtschaft werden", sagt Fritzi Köhler-Gelb, Chefvolkswirtin der KfW-Bank. "Die Aussichten für Konjunktur und Arbeitsmarkt sind deshalb für die nächsten Monate höchst unsicher."

Scheele geht aber nicht von einem flächendeckenden Lockdown aus. Er erwartet nach einem wackligen Start am Arbeitsmarkt zu Jahresbeginn eine Besserung: "Im Jahresdurchschnitt wird die Arbeitslosigkeit nicht steigen." Dazu passt, dass die deutsche Volkswirtschaft dieses Jahr erneut wachsen dürfte: Konjunkturforscher sagen ein Wachstum von mehr als drei Prozent voraus.

Scheele kontert Warnungen, dass ein höherer Mindestlohn viele Arbeitsplätze kosten werde. Die neue Bundesregierung will den Mindestlohn von aktuell unter zehn auf zwölf Euro steigern. "Wir erwarten von der Erhöhung des Mindestlohns keinen negativen Arbeitsmarkteffekt", sagt der Agenturchef.

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