Süddeutsche Zeitung

Arbeitsmarkt:Zahl der Arbeitslosen steigt - aber weniger als üblich

In Deutschland sind derzeit etwa 2,6 Millionen Menschen ohne Job. Im Januar gibt es meist eine höhere Steigerung - mit Auswirkungen für das Wirtschaftswachstum.

Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist im Januar gestiegen. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) waren 2,616 Millionen Menschen ohne Job, 162 000 mehr als im Dezember und 154 000 mehr als im Januar 2022. "Der Arbeitsmarkt blieb auch am Jahresanfang stabil", sagte BA-Chefin Andrea Nahles. "Auswirkungen der geopolitischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten sind jedoch weiterhin erkennbar." Die Arbeitslosenquote kletterte um 0,3 Punkte auf 5,7 Prozent.

Der Anstieg fiel etwas geringer aus als in der Vergangenheit im Januar üblich. Wenn man die jahreszeitlichen Schwankungen herausrechnet, ging die Erwerbslosenzahl laut BA um 15 000 auf 2,498 Millionen zurück. Die saisonbereinigte Quote sei mit 5,5 Prozent unverändert geblieben. Offene Stellen waren bei der Bundesagentur nach eigenen Angaben 764 000 gemeldet, 27 000 weniger als vor einem Jahr. Die Nachfrage nach Arbeitskräften habe also leicht nachgelassen, sei saisonbereinigt aber sogar leicht gestiegen und insgesamt stabil auf vergleichsweise hohem Niveau, schreiben die Statistiker.

817 000 Personen erhielten im Januar 2023 Arbeitslosengeld, 5000 mehr als vor einem Jahr. Die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) lag im Januar bei 3,862 Millionen. 7,1 Prozent der in Deutschland lebenden Personen im erwerbsfähigen Alter waren damit hilfsbedürftig. Stichtag für die erhobenen Arbeitsmarktdaten war der 12. Januar.

Die Zahlen können auf das Wirtschaftswachstum schließen

Die Arbeitsmarktdaten sind ein wichtiger Indikator für Expertinnen und Experten, um einschätzen zu können, wie sich das Wirtschaftswachstum in Deutschland in den kommenden Jahren entwickeln dürfte. Nun erhöhen die veröffentlichten Zahlen den Druck erneut. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, geht davon aus, dass das Potenzialwachstum für die deutsche Wirtschaft in diesem Jahrzehnt auf unter 1,0 Prozent sinken dürfte. Das sei vor allem dem Rückgang der Beschäftigung durch Demografie und Fachkräftemangel geschuldet, sagte Fratzscher. "Wenn die verschlafene Transformation zu einer Deindustrialisierung führen sollte, dann könnte das Wachstumspotenzial noch stärker sinken."

Das Fachkräfteproblem wird sich nach Fratzschers Einschätzung in den kommenden Jahren deutlich verschärfen und für zahlreiche Unternehmen eine existenzielle Bedrohung darstellen. Grund für das Fachkräfteproblem ist der Demografische Wandel. Die Baby-Boomer-Generation scheidet aus dem Arbeitsleben aus. Da weniger Menschen ins Arbeitsleben nachrücken, könne das Ausscheiden der Älteren nicht mehr kompensiert werden. "Damit nimmt der bereits jetzt beobachtete Fachkräftemangel noch spürbarer zu in den kommenden Jahren", sagt Robert Lehmann, Konjunkturforscher am Institut für Wirtschaftsforschung.

Zusätzlich könnte der demografische Wandel und das schwächere Wachstum nach Lehmanns Worten auch die Inflation befeuern: "In der Übergangsphase, wenn die Baby-Boomer in Rente gehen, bleiben die Konsumenten und deren Konsumlaune zunächst recht stabil. Vielmehr kann es auch sein, dass die hohen Ersparnisse der dann lebenden Rentnergeneration zu einem deutlichen Konsumschub führen."

Der Wirtschaftsforscher will aber auch nicht zu pessimistisch sein: Aus der Corona-Pandemie könnten auch Chancen entwachsen beziehungsweise bereits entwachsen sein. Als Beispiel nannte Lehmann die beschleunigte Digitalisierung, die "die Belastungen zumindest teilweise abmildern kann."

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