Arbeitskosten:Deutschland wird wettbewerbsfähiger

Der Standort Deutschland kann es mit seinen europäischen Wettbewerbern aufnehmen. Die Arbeitskosten steigen langsamer als in anderen Ländern.

Thomas Öchsner

Die Arbeitskosten für die Privatwirtschaft steigen in Deutschland weiter langsamer als in den meisten anderen Ländern Europas. Das geht aus einer Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervor. Danach liegt die Bundesrepublik mit einem Wert von 28,50 Euro pro Stunde im Mittelfeld der europäischen Staaten (siehe Grafik). "Der Exportweltmeister Deutschland ist immer wettbewerbsfähiger geworden, allerdings um den Preis einer schwachen Binnennachfrage", sagte IMK-Chef Gustav Horn. Der Professor sprach von einer "Billiglohnstrategie der deutschen Wirtschaft", die den Konsum schwäche und damit auch Arbeitsplätze im Inland koste.

Arbeiter, Thyssen-Krupp, Foto: dpa

Arbeiter bei Thyssen-Krupp in Duisburg: Deutschland liegt bei den Arbeitskosten im Mittelfeld der europäischen Staaten.

(Foto: Foto: dpa)

Zu den Arbeitskosten, die die europäische Statistikbehörde Eurostat ermittelt, zählen vor allem der Bruttolohn und die Arbeitgeberanteile an den Sozialbeiträgen. Diese ziehen seit zehn Jahren sowohl im verarbeitenden Gewerbe wie auch bei den Dienstleistungen in Deutschland langsamer an als im Durchschnitt von EU und Eurozone.

Auffällig sind jedoch die riesigen Unterschiede in den Wirtschaftszweigen: Nach Angaben des IMK klaffen in keinem anderen EU-Land die Löhne im verarbeitenden Gewerbe und im Dienstleistungssektor so weit auseinander wie in der Bundesrepublik: Bei den in der Industrie beschäftigten Arbeitern und Angestellten rangiert Deutschland mit Arbeitskosten von 32,50 Euro an fünfter Stelle. Im privaten Dienstleistungssektor liegt die Bundesrepublik mit Arbeitskosten von 26 Euro dagegen auf Rang neun. Das ist nur knapp über dem Durchschnitt im Euro-Raum, der bei 25,70 Euro liegt.

Schwache Löhne hemmen Binnennachfrage

Die Differenz begründeten die IMK-Forscher mit mehreren Faktoren: So sind atypisch und schlecht bezahlte Beschäftigungsformen bei den Dienstleistern besonders häufig verbreitet. Die Durchsetzungskraft der Gewerkschaften ist geringer, zumal in diesem Bereich viele kleinere Unternehmen tätig sind. In dem Sektor arbeiten mehr Frauen und Teilzeitbeschäftigte mit geringen Verdiensten. Da die Nachfrage nach Dienstleistungen vor allem aus dem Inland komme, leide dieser Wirtschaftszweig außerdem stark unter der Konsumschwäche. Dies drücke ebenfalls auf die Löhne, sagte Horn.

Aussagekräftiger als die Arbeitskosten sind allerdings die Lohnstückkosten, bei denen die Produktivität berücksichtigt wird. Auch hier zeigt sich, dass Deutschland seine Konkurrenzfähigkeit weiter ausgebaut hat. So haben sich nach Angaben des IMK die Lohnstückkosten in Ländern wie den Niederlanden, Frankreich, Polen, Spanien oder Dänemark in den vergangenen zehn Jahren um 20 bis 35 Prozent erhöht. In Deutschland stagnierten sie dagegen von 1998 bis Mitte 2008. Den Anstieg zum Jahreswechsel führte Horn auf den verstärkten Einsatz der Kurzarbeit zurück. Dadurch gehe die Produktivität zurück, weil pro Beschäftigten weniger Arbeitsstunden anfallen. Dies sei aber nur vorübergehend. "Sorgen sind völlig unnötig", schreiben die Wissenschaftler in ihrer Studie.

Kritisch bewertete Horn die These, der geringe Anstieg der Arbeitskosten verringere die Arbeitslosigkeit. Zwar wirke sich dies auf den Export positiv aus. Die schwache Entwicklung der Löhne hemme aber die Binnennachfrage, und die trage in einer großen Wirtschaft wie der deutschen deutlich mehr zu Wachstum und Beschäftigung bei als der Export. "Unter dem Strich gingen so 600.000 Stellen verloren", sagte Horn. Er verweist auf Länder wie Frankreich, Großbritannien, Niederlande oder Finnland: Dort seien die Arbeitskosten schneller gestiegen. Trotzdem sei die Wirtschaft dort stärker gewachsen als in Deutschland.

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