Als die Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch einstürzte und mehr als 1100 Menschen starben, fanden die Retter neben den Leichen die Label der Modemarken, die in der instabilen Unglücksfabrik fertigen ließen. So einfach lässt sich der Zusammenhang zwischen ausbeuterischen Arbeitsbedingungen im Süden und Abnehmern im Norden selten herstellen.
Viel schwieriger ist diese Kausalität etwa beim Abbau von Rohstoffen nachzuweisen, so beim Abbau von Stein. Zwar gab es diverse Berichte über problematische Verhältnisse aus indischen Steinbrüchen einschließlich des Vorwurfs der Kinderarbeit. Aber Kritikern gelang es nur vereinzelt, eine Verbindung zu den Abnehmern der Ware herzustellen.
Jetzt ziehen Nichtregierungsorganisationen eine Verbindung von problembehafteten Steinbrüchen gleich zu 33 Unternehmen im Norden, sowohl Zwischenhändlern, als auch finanzierenden Banken und Endabnehmern. 27 davon stammen aus Europa, namentlich aufgelistet in der Studie "Die dunkle Seite des Granits", die an diesem Mittwoch veröffentlicht wird. Sechs Firmen kommen aus Deutschland. Es gebe noch weitere Unternehmen, die jedoch wegen der schwierigen Datenbeschaffung nicht ermittelbar gewesen seien, heißt es in der Studie der NGOs Stop Child Labour, India Committee of the Netherlands und Kerk in Actie.
Zunächst werteten sie ein Jahr lang Daten verschiedener Häfen und öffentliche Angaben von Firmen aus. Dann wählten sie 22 für den Export produzierende Steinbrüche in den drei südindischen Bundesstaaten Andhra Pradesh, Telangana sowie Karnataka aus und ließen sie mit Blick auf Gesundheit, Löhne, Sicherheit, Organisationsfreiheit und Schuldknechtschaft begutachten. In jedem Steinbruch befragte Global Research mindestens ein Zehntel der Arbeiter, insgesamt 172. Außerdem fanden Gespräche mit Gruppen von Arbeitern statt und in sechs Fällen mit Managern. Anschließend wurden die Steinbrüche in vier Kategorien eingeteilt. Ordentliche Arbeitsbedingungen gab es laut Studie in keinem Steinbruch, halbwegs ordentliche in vier Fällen. In sieben Steinbrüchen fanden sich Fälle von Schuldknechtschaft, in fast allen Steinbrüchen gab es erhebliche Mängel bei der Sicherheitsausstattung, häufig trugen nur wenige Arbeiter Helme.
In fünf Steinbrüchen wurde der ohnehin niedrige Mindestlohn nicht gezahlt, nirgendwo gab es eine aktive Gewerkschaft. Die Autoren sprechen von eindeutigen Fortschritten bei Kinderarbeit, wenn es um den Abbruch der Steine geht, nicht jedoch bei deren Weiterverarbeitung, die vorwiegend Frauen und Kinder erledigten. Untersucht wurden sechs Weiterverarbeitungsanlagen.
In Indien gelten 14- bis 18-Jährige nicht als Kinderarbeiter, allerdings gilt in Minen ein Mindestalter von 18 Jahren. In der Stichprobe waren acht Prozent der Arbeiter jünger als 18 Jahre. Das Ausmaß von Kinderarbeit bei der Weiterverarbeitung der Steine habe sich nicht verändert, schreiben die Autoren.
Natursteine sind ein Milliardengeschäft: 2015 wurden weltweit Natursteine im Wert von 25,7 Milliarden Euro gehandelt, knapp ein Zehntel stammte aus Indien, wo sich ein Fünftel der Vorkommen befindet. Den Großteil des Granits (mehr als 60 Prozent) exportiert Indien nach China. Nach Deutschland gingen zuletzt 1,3 Prozent. Die Verarbeiter gingen mit den Erkenntnissen der NGO unterschiedlich um. Fünf Unternehmen nutzten die Gelegenheit, die vorab zur Verfügung gestellten Studienergebnisse zu kommentieren. Dagegen reagierte keine der sechs Firmen in Deutschland. Auf Anfrage reagierten die Firmen unterschiedlich. Desinteressiert zeigte sich M.Lampe-Naturstein, keine Fragen beantworteten Magna Naturstein/Magna Westfalica, der Natursteinbetrieb Reinhard Schulte und Habu-Granit Marmor.
Gesprächsbereit zeigte sich der Geschäftsführer Michael Risse (Naturstein Risse) ohne allerdings die Ergebnisse der Studie selbst zu bewerten. Er schloss aus, dass seine Firma Steine verkaufen könnte, bei deren Abbau Kinder eingesetzt wurden. Man verpflichte alle Lieferanten, sich zu zertifizieren, was unter anderem die Indo-German Export Promotion und der TÜV Nord erledigten. Aus Segmenten wie Pflastersteinen habe man sich 2005 zurückgezogen, weil die Lieferanten sich nicht zertifizieren lassen wollten.
Auf die Ergebnisse der Studie ging nur Mirko Adam von Just Naturstein ein und äußerte harsche Kritik: Die Lieferketten seien "unvollständig und damit falsch". Er arbeite mit Firmen in Asien, deren Standards denen europäischer Unternehmen "schon recht nah kommen". Darüber hinaus arbeite man seit Jahren am Aufbau verlässlicher Zertifizierungsstrukturen mit. Allerdings verhindert die Zertifizierung keineswegs alle Missstände, was wiederum das Beispiel der Textilindustrie zeigt. Auch die Fabrik Rana Plaza war zertifiziert.