Es ist kein Tag der großen Angriffe, nach gut einem Jahr Schwarz-Gelb. Die Generalabrechnung mit der Regierung, die lange Zeit vor allem mit sich selbst beschäftigt war, findet auf dem Deutschen Arbeitgebertag nicht statt. Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) spricht nicht über Enttäuschungen. Dieter Hundt setzt auf den von der Kanzlerin "selbst ausgerufenen Herbst der Entscheidungen". Und deshalb sagt er heute bei dem Treffen, zu dem mehr als 1000 Gäste nach Berlin gekommen sind, nichts, was der Bundeskanzlerin wirklich weh tun könnte. Es ist ein Tag, bei dem alle Redner Applaus bekommen. Ein bisschen erntet davon sogar SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, der hier im Kreise von vielen Unternehmern und Managern nicht gerade ein Heimspiel hat und gleich am Anfang seiner Rede diejenigen bestätigt, die von einem Sozialdemokraten sowieso nicht viel halten. Steinmeier sagt, "der BDA", richtig wäre "die BDA".
Der Arbeitgebertag beginnt traditionell mit der Rede des Präsidenten. Hundt, ein erfolgreicher mittelständischer Unternehmer und Ingenieur, war nie ein großer Redner. Trotzdem ist in den Stuhlreihen kein Platz mehr frei, sodass Dutzende Zuhörer stehen müssen. Hundt liest vom Blatt ab, auch heute sagt er viel Erwartbares. Natürlich warnt er davor, dass die Koalition die Unternehmen nicht mit neuen Kosten und zusätzlicher Bürokratie belasten dürfe. Er macht seinem Ärger Luft über die Gesundheitsreform, "die den Arbeitgebern jährlich Mehrkosten von zwei Milliarden Euro aufbürdet". Er sagt aber auch viel Positives über das konservativ-liberale Kabinett. "Wir alle sind mit der Kritik an der Regierung selbst schnell bei der Hand." Aber man müsse doch auch mal zugeben, dass die Regierung bei der Bewältigung der Wirtschaftskrise "richtig gehandelt" habe.
Nur einmal wird der BDA-Präsident ein bisschen strenger mit den Regierenden, als er über deren Beiträge zur Lohnpolitik spricht. Die nennt Hundt "populistische Wichtigtuerei". Dabei kann er nur Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) gemeint haben, der sich mehrmals ausdrücklich für Lohnerhöhungen ausgesprochen hat und am Morgen noch nicht da ist. Doch seinen Namen nennt Hundt lieber nicht.
Dafür geht der Arbeitgeberpräsident mit Verdi-Chef Frank Bsirske hart ins Gericht. Der Mann, der kürzlich bei einer Rede gegen das Sparpaket der Bundesregierung den Stinkefinger öffentlich zeigte, soll seine "klassenkämpferischen Auftritte" bitteschön sein lassen. Und überhaupt, sagt Hundt, sei es abwegig, "wenn Gewerkschaften, aber auch SPD, Linkspartei und Grüne das Bild eines ausblutenden Sozialstaats zeichnen. Das geht völlig an der Realität vorbei." Dafür erhält er den ersten kräftigen Applaus.
Ansonsten wiederholt der BDA-Präsident Altbekanntes. Er fordert einen allgemein verbindlichen Mindestlohn für Leiharbeiter, der auch für ausländische Arbeitskräfte aus Osteuropa gelten müsse, wenn von Mai 2011 an die volle Arbeitnehmer-Freizügigkeit in der EU in Kraft treten wird. Er macht sich dafür stark, die Zuwanderung von Fachkräften nach Deutschland zu erleichtern. Er träumt den alten Traum von deutlich geringeren Arbeitskosten. "Von einem Euro, den ein Arbeitgeber bei einer Lohnerhöhung aufwenden muss, kommen bei einem Durchschnittsverdiener heute gerade einmal 37 Cent tatsächlich an. Die übrigen 63 Cent sind Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge an die Sozialversicherung, Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag", sagt der BDA-Präsident. Wenigstens die Hälfte sollte netto bei den Arbeitnehmern landen. Aber das, fügt er gleich hinzu, käme "einer Revolution gleich".
Gesetzliche Absicherung
Was Hundt im Moment am meisten Sorgen zu bereiten scheint, ist allerdings die Tarifeinheit in Deutschland. Bislang gilt in Unternehmen das Prinzip "Ein Betrieb - ein Tarifvertrag." Das wollen Arbeitgeber und Gewerkschaft nun gesetzlich absichern, nachdem sich auf Grund der Rechtsprechung die Tore für neue Spartengewerkschaften weiter öffnen könnten. Hundt warnt deshalb seit Monaten vor permanenten Arbeitskämpfen in Deutschland, geführt von Gewerkschaften, die nur die speziellen Interessen einer Berufsgruppe vertreten.
Das weiß auch die Kanzlerin, die einige Stunden später bei ihrer Rede ankündigt, in spätestens zwei Monaten eine Entscheidung in Sachen Tarifeinheit zu treffen. "Sie hören von uns", sagt Angela Merkel, ohne zu viel zu verraten. Sie könne nicht versprechen, dass der Gesetzesvorschlag von DGB und Arbeitgebern eins zu eins übernommen werde, zumal sich verfassungsrechtliche Bedenken nicht einfach vom Tisch wischen ließen. Aber man dürfe auch nicht warten, bis die Tariflandschaft zersplittert sei, sagt die Kanzlerin und fügt hinzu, dass nachher ja noch Wirtschaftsminister Brüderle und die Chefin des Arbeitsressorts, Ursula von der Leyen, redeten. Und sollten die beiden dasselbe wie sie zur Tarifeinheit sagen, "sind wir auf einem guten Weg". Gelächter im Saal.