Arbeitgebertag:Im Machtvakuum

Deutscher Arbeitgebertag 2017

SPD-Chef Schulz beim Arbeitgebertag, hinter ihm BDA-Chef Kampeter.

(Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Die Arbeitgeber präsentieren ihre Forderungen - nur an wen? Ende November wäre eigentlich der ideale Zeitpunkt gewesen, um eine neue Bundesregierung mit den Problemthemen zu konfrontieren. Aber daraus wird nun nichts.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Unter normalen Bedingungen wäre Ende November der ideale Zeitpunkt für einen Arbeitgebertag gewesen. Die Koalition gerade geschmiedet, vielleicht sogar die Ministerposten frisch besetzt - da lässt sich der neuen Regierung gleich ins Gewissen reden. Aber Pustekuchen.

Stattdessen muss Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer seine Forderungen am Mittwoch ins Ungefähre loswerden. "Eine neue Regierung muss. . .", hebt er immer wieder an, nicht ohne Zwischentöne des Ärgers. "Wer möchte denn noch regieren, muss man ja heute schon sagen", entfährt es ihm zwischendurch einmal. "Wer sich zur Wahl stellt, wofür auch immer, muss bereit sein, Gesamtverantwortung zu übernehmen." Kompromisse zu verweigern, "ist nicht gut für unser Land". Kramer spricht es nicht offen aus, aber der Vorwurf geht ganz klar auch an die FDP - an sich nicht die übelste Partei aus Sicht der Arbeitgeber.

Aber auch ohne neue Regierung steigt der Arbeitgebertag, und so präsentiert Kramer seine Forderung nun an potenzielle Koalitionäre, auch SPD-Chef Martin Schulz hat sich angesagt. Vor allem demografischer Wandel und Digitalisierung machen den Arbeitgebern zu schaffen. Es drohen Löcher in den Rentenkassen, ein Mangel an Arbeitskräften und, nicht zu unterschätzen, ein völliger Umbruch der Arbeitswelt. In Sachen Demografie wünscht sich der Arbeitgeberverband BDA ein eigenes Zuwanderungsgesetz. Effektiver müsse eine neue Regierung um junge Menschen und Fachkräfte aus dem Ausland werben, fordert Kramer. Und anstatt Arbeitnehmer in die Frührente zu schicken, solle der Staat sie motivieren, länger zu arbeiten - etwa durch steuerliche Anreize. Die Rente mit 70 bringt auch er nicht ins Spiel.

Wohl aber flexiblere Arbeitszeiten. "Unser Arbeitszeitgesetz ist noch immer in der analogen Welt gefangen", klagt Kramer. "Von einer neuen Bundesregierung erwarte ich einen Aufbruch für ein modernes Arbeitszeitrecht 4.0." Das klingt immer gut, konkret aber sollen Firmen und Beschäftigte leichter aushandeln können, wann und wo in der Woche gearbeitet wird, "ohne die Arbeitszeit insgesamt auszudehnen", wie Kramer sagt. Auch müsse "eine neue Bundesregierung" mehr für Selbständige tun, die häufig früher als andere digitale Trends aufspürten und sie in die Unternehmen brächten. Damit wiederum große Unternehmen flexibler werden, sei auch eine "Mitbestimmung 4.0" nötig. Konkreter: Wenn ein Unternehmen neue Software brauche, dauere es oft zu lange, bis der Betriebsrat seine Zustimmung gebe.

Bleibt noch das Thema Europa, auf das Kramer ("Ich bin mit vollem Herzen Europäer") besonders viel Leidenschaft verwendet. Mit Emmanuel Macron gebe es nun einen französischen Staatspräsidenten, der "eine neue Vision von Europa" hat. Das müsse Deutschland "partnerschaftlich" begleiten. Genauer: eine neue Regierung.

Von der aber ist noch keine Spur, erste Gespräche beim Bundespräsidenten sollen ja erst an diesem Donnerstag beginnen. Angela Merkel grüßt herzlich von der Videoleinwand, die Kanzlerin ist beim EU-Afrika-Gipfel. Für die CDU spricht Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet, der unter anderem über die Folgen der Künstlichen Intelligenz philosophiert. Vor allem aber listet er all die Errungenschaften auf, die zwischen den Jamaika-Partnern Union, FDP und Grüne schon vereinbart waren - ehe die Konstellation scheiterte. "Ich wäre froh, wenn wir in den nächsten Wochen ein solch hervorragendes Ergebnis hinbekommen", sagt Laschet etwas wehmütig. "Ich habe Sorge, dass das schwieriger wird."

Das wiederum hängt auch an SPD-Chef Martin Schulz. "Ich werde weiterhin Gerechtigkeitsfragen in den Mittelpunkt stellen", sagt er vor den Arbeitgebern, darunter gleiche Löhne für Frauen und Männer und eine bessere Bezahlung von Kranken- und Altenpflegern. "Das sind Themen, die die Menschen direkt berühren." Das Kooperationsverbot, das Schulen und Hochschulen zur (Sanierungs-)aufgabe der Länder macht, will er abschaffen, für Europa wünscht er sich einen gemeinsamen Finanzminister. Nur ob und wie eine neue Regierung entsteht, das kann er "beim besten Willen" nicht sagen. "Zusichern kann ich nur, dass sich meine Partei ihrer staatspolitischen Verantwortung bewusst ist", sagt Schulz.

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