Arbeitgeberpräsident Hundt:"Wir müssen Grenzen beachten"

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt über seine Skepsis im Fall Opel und das unmoralische Verhalten mancher Bankmanager.

Claus Hulverscheidt

Seit 1996 ist Dieter Hundt, 70, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). An diesem Freitag nimmt der Aufsichtsratvorsitzende des Maschinenbauers Allgaier am traditionellen Treffen der wichtigsten Verbandschefs mit Kanzlerin Angela Merkel am Rande der Handwerksmesse in München teil.

Arbeitgeberpräsident Hundt: Dieter Hundt: "Wir lehnen Beteiligungen des Staates an Firmen ab, weil diese den Wettbewerb verzerren würden"

Dieter Hundt: "Wir lehnen Beteiligungen des Staates an Firmen ab, weil diese den Wettbewerb verzerren würden"

(Foto: Foto: AP)

SZ: Herr Hundt, hat sich der Vorstand der BDA-Mitgliedsfirma Opel schon bei Ihnen gemeldet und um Fürsprache bei der Bundeskanzlerin gebeten?

Dieter Hundt: Nein, die Opel-Führung hat sich bislang nicht bei mir gemeldet. Wir sind aber als BDA indirekt an der Diskussion beteiligt.

SZ: Was heißt "indirekt"?

Hundt: Das heißt, dass wir in der Frage Position beziehen, wie diesem bedeutenden Unternehmen der deutschen Autoindustrie geholfen werden kann.

SZ: Und?

Hundt: Wir lehnen Beteiligungen des Staates an Firmen ab, weil diese den Wettbewerb verzerren würden. Wie wollte man erklären, dass der Staat beim Unternehmen A Aktionär wird, beim Unternehmen B oder C aber nicht? Hier käme ein Überbietungswettbewerb in Gang, der den Staat überfordern würde. Auch im Rahmen der bestehenden wirtschaftspolitischen Instrumente, insbesondere bei Bürgschaften, sind deshalb ordnungspolitische Grenzen zu beachten. Ob der Fall Opel diese Voraussetzungen erfüllt, ist aus heutiger Sicht fraglich.

SZ: Haben Sie sich vor einem halben Jahr vorstellen können, dass Sie sich mit Themen wie Staatsbeteiligungen, Verstaatlichungen und Enteignungen jemals werden beschäftigen müssen?

Hundt: Nein, das hätte ich mir nicht vorstellen können. Ich konnte mir allerdings auch Entwicklungen nicht vorstellen, die bereits vor Ausbruch der Krise passiert sind - etwa dass eine unionsgeführte Bundesregierung Mindestlöhne einführt oder Regelungen der rot-grünen Agenda 2010 zurückdreht.

SZ: Wo ist für Sie beim staatlichen Krisenmanagement die rote Linie, die nicht überschritten werden darf?

Hundt: Wir stecken in der tiefsten Wirtschaftskrise seit Kriegsende. Zur Bewältigung einer so außerordentlichen Situation bedarf es außerordentlicher Maßnahmen. Deshalb trägt die BDA sowohl die Entscheidungen der Bundesregierung zur Stabilisierung des Bankensektors als auch die beiden Konjunkturprogramme ausdrücklich mit. Die rote Linie wird aus meiner Sicht überschritten, wenn sich der Staat außerhalb des Bankensystems an Unternehmen beteiligt oder gar die Eigentümer enteignet.

SZ: Wer trägt aus Ihrer Sicht die Schuld an der gegenwärtigen Krise? Gierige Banker? Lasche Aufseher? Beide?

Hundt: Das ist eine Frage, mit der sich Ökonomen und wohl auch Geisteswissenschaftler in den kommenden Jahren ausführlich befassen werden. Meine erste Analyse ist die, dass wir in den letzten Jahren rund um den Globus über unsere Verhältnisse gelebt haben. Vor allem hat sich der Finanzsektor von der realen Wirtschaft entkoppelt und mit fiktiven Geschäften eine Blase geschaffen, die irgendwann platzen musste. Daran hatten auch einzelne verantwortungslose Banker und Manager entscheidenden Anteil.

SZ: War es Charakterschwäche, der die Banker so handeln ließ, oder war es der Zeitgeist?

Hundt: Es gab durchaus ein Herdenverhalten der Bankenwelt. Aber: Viele haben auch nicht mitgemacht. Da winde ich beispielsweise unseren Sparkassen durchaus ein Kränzchen.

"Wir müssen Grenzen beachten"

SZ: Wenn Sie sehen, dass Bankmanager auf Wiedereinstellung klagen oder trotz riesiger Verluste weiter Millionen-Boni kassieren, packt Sie da manchmal die Wut über den eigenen Berufsstand?

Hundt: Ich kann nicht beurteilen, welche Ansprüche juristisch gerechtfertigt sind. Unter ethisch-moralischen Gesichtspunkten ist dieses Verhalten aber verwerflich. Klar ist allerdings auch: Die überragende Mehrzahl der deutschen Unternehmer verhält sich vorbildlich.

SZ: Gibt es eine zunehmende Kluft zwischen persönlich haftenden Unternehmern und angestellten Managern?

Hundt: Nicht zwischen Unternehmern und Managern sondern eher zwischen den Vorständen börsennotierter und nicht-börsennotierter Betriebe. Die Führungen börsennotierter Firmen haben sich in den vergangenen Jahren oft viel zu sehr am kurzfristigen Unternehmenserfolg orientiert. Hier muss umgedacht werden - auch bei der Frage, welche Anreize durch das Vergütungssystem gesetzt werden. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Staat künftig Höchstgrenzen für Managergehälter festlegen sollte.

SZ: Die Wirtschaftsverbände haben bis zum Ausbruch der Krise stets für einen schlanken Staat plädiert. Muss auch die BDA alte Positionen überdenken?

Hundt: Auch eigene Positionen müssen immer wieder überdacht werden. Ich kann aber nicht erkennen, dass die Grundhaltung der deutschen Wirtschaft vor der Krise falsch war. Im Gegenteil: Wir müssen zu diesen Positionen zurückkehren, wenn wir weiter wirtschaftlichen Erfolg haben wollen.

SZ: Die gern beschworene Renaissance des Staats sehen Sie also nicht?

Hundt: Ich fürchte, dass manche Gruppierungen in unserer Gesellschaft die Situation nutzen werden, um die Balance zwischen Staat und Wirtschaft zu verschieben. Das müssen wir verhindern.

SZ: Die Union hat Sie als Mitglied der Bundesversammlung vorgeschlagen, Sie dürfen also am 23. Mai den Bundespräsidenten mitwählen. Wen wählen Sie?

Hundt: Horst Köhler ist ein sehr, sehr guter Bundespräsident. Sollte ich also offiziell für die Bundesversammlung nominiert werden, werde ich meine Bewertung seiner Arbeit bei der Entscheidung in der Wahlkabine berücksichtigen.

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