Arbeiten im Alter:Traum und Trostlosigkeit

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Union und SPD streiten über die Konditionen für die Rente mit 67. Doch sind ältere Arbeitnehmer den Belastungen des Arbeitsmarktes überhaupt gewachsen?

Die Deutschen leben immer länger. Gleichwohl steigt der Zahl der Personen, die aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus dem Arbeitsleben ausscheiden, drastisch an.

Rente mit 67? Für viele Arbeitnehmer ist das kaum vorstellbar: Viele müssen - oft ungewollt - schon weit vor der aktuell geltenden Altersgrenze von 65 Jahren das Unternehmen verlassen. (Foto: dpa)

2009 seien gut 171.000 Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gezahlt worden, berichtet die Bild-Zeitung. Das seien nicht nur 10.000 mehr als 2008 gewesen - es markiere zugleich den höchsten Stand der vergangenen sechs Jahre. Betroffen seien mehr Männer (rund 90.000) als Frauen (rund 81.000).

Der weitaus größte Teil von ihnen, rund 64.000 Menschen, hätte aufgrund einer psychischen Erkrankung vorzeitig in den Ruhestand gewechselt. Bei den Frauen gebe es rund 35.000 Fälle, bei den Männern rund 29.000. Im Vergleich zum Jahr 2008 sei das ein Plus von zwölf Prozent.

Ein bedeutender Faktor bei den gesundheitsbedingten Frühverrentungen seien daneben Krankheiten von Skelett, Muskeln und Bindegewebe gewesen. Danach folgten bei den Männern Herz- und Kreislauferkrankungen, bei den Frauen sind es Krebskrankheiten.

Die hohe Zahl neuer Frührentner zeigt, dass für viele Menschen die Belastungen am Arbeitsplatz offenbar zu hoch sind oder als zu hoch empfunden werden. Ein Verbleib am Arbeitsplatz bis 65 oder gar 67 Jahren dürfte oft unrealistisch sein.

Kritik an der Rente mit 67

Längst erwägt die SPD darum einen Rückzug von der Rente mit 67, die sie selbst als Mitglied der großen Koalition mitgetragen hatte. Die Rente mit 67 wird von viele Experten als staatlich verordnete Rentenkürzung gegeißelt: Nur die wenigsten Beschäftigen hätten überhaupt die Möglichkeit, so lange am Arbeitsplatz zu bleiben - die meisten müssten also bei einem früheren Einstieg in die Rente Abschläge bei der Bezugshöhe hinnehmen.

Die SPD will darum die Rente bis 67 im Fall einer Rückkehr in die Bundesregierung zunächst aussetzen und erst dann wieder einzuführen, wenn 50 Prozent aller Arbeitnehmer im Alter von 60 bis 64 Jahren eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit haben. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr sollen nach SPD-Angaben nur 21,5 Prozent in dieser Altergruppe entsprechend beschäftigt gewesen sein. Gleichwohl kritisieren CDU und CSU den Vorstoß des früheren Koalitionspartners. Nach Auffassung der Unionsparteien führt auf Grund der demographischen Entwicklung kein Weg an der Rente mit 67 vorbei.

Grundsätzlich nimmt die Zahl der älteren Beschäftigten aber zu: In der Altersgruppe der 60- bis 64-jährigen männlichen Arbeitnehmer sei der Anteil an der sozialversicherungspflichtigen Erwerbsbevölkerung in den vergangenen Jahren gestiegen, sagte eine Sprecherin des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg: "Von 1998 bis 2008 betrug dieser Zuwachs neun Prozentpunkte von 16 auf 25 Prozent." Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch das EU-Statistikamt Eurostat. Demnach waren 1998 circa 38 Prozent in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre erwerbstätig, 2009 waren es hingegen schon mehr als 56 Prozent.

Eine Frage der Zeit

Die 50-Prozent-Forderung der SPD geht also nicht vollständig an der Realität vorbei, vielmehr scheint ihre Erfüllung eine Frage der Zeit zu sein.

Und die könnte von langer Dauer sein. Denn noch immer klafft eine große Lücke zwischen der regulären Altersgrenze von 65 Jahren und dem durchschnittlichen Berufsaustrittsalter. Mittlerweile liegt das durchschnittliche Berufsaustrittsalter bei rund 58 Jahren. Noch in den Siebzigern lag es bei 62 Jahren.

Erschwerend kommt hinzu, dass der erste Arbeitsmarkt, also eine sozialversicherungspflichtige Vollbeschäftigung, älteren Arbeitnehmern offenbar weniger attraktiv erscheint. Untersuchungen zeigen, dass gerade nur 20 Prozent der Beschäftigen direkt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in die Rente wechseln. Die Mehrheit arbeitet entweder in Altersteilzeit, ist geringfügig beschäftigt oder arbeitslos. Bis 65 arbeiten vor allem jene, die beispielsweise wegen fehlender Versicherungsjahre keinen Zugang zur vorzeitigen Rente haben.

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