Süddeutsche Zeitung

Öffentlicher Dienst:Verdi-Chef kündigt weitere Streiks an

Gewerkschaft will Arbeitsniederlegungen ausweiten, falls die Schlichtung bei den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst scheitert.

Von Alexander Hagelüken und Benedikt Peters, München

Die Gewerkschaft Verdi kündigt nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst neue Aktionen an. "Bis zu Beginn der Friedenspflicht am Sonntag planen wir einzelne Warnstreiks in verschiedenen Teilbereichen, darunter auch in Kitas oder Kliniken", sagte Verdi-Chef Frank Werneke im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Dabei wolle man jedoch keine ganzen Verwaltungen oder Unternehmen lahmlegen. Das könnte sich jedoch bald ändern. Wenn das Ergebnis der anstehenden Schlichtung und der nachfolgenden Verhandlungen nicht ausreiche, "müssten wir über einen flächendeckenden Streik entscheiden", machte Werneke klar.

Die Tarifgespräche für 2,5 Millionen Verwaltungsmitarbeiter, Erzieherinnen und Müllwerker bei Bund und Kommunen waren in der Nacht zu Donnerstag vorerst gescheitert. Die Arbeitgeber haben daraufhin die Schlichtung angerufen. Die Arbeitgeber benannten dafür den früheren sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradt (CDU), Verdi den ehemaligen Bremer Staatsrat Hans-Henning Lühr (SPD). Vom kommenden Sonntag an bis Mitte April sollen sie einen Lohnvorschlag erarbeiten. In dieser Zeit gilt Friedenspflicht, sodass keine Streiks erlaubt sind.

Verdi und Beamtenbund verlangen in der Tarifrunde unter Hinweis auf Inflation und Personalmangel für ein Jahr 10,5 Prozent mehr Lohn sowie ein monatliches Mindestplus von 500 Euro. Die Arbeitgeber stockten in der Nacht ihr Angebot auf: Sie boten dem Vernehmen nach acht Prozent mehr Lohn, 300 Euro Mindestplus sowie eine Inflationsprämie von 3000 Euro - allerdings auf eine Laufzeit des Tarifvertrags von zwei Jahren gerechnet.

Werneke bezeichnet es als "nicht akzeptabel", dass die Arbeitgeber aufs Jahr gerechnet nur 150 Euro Mindestplus zahlen wollen. "Damit ist unser wichtigstes Ziel nicht erfüllt: ein finanzieller Ausgleich für jene Beschäftigte, die besonders unter der Teuerung leiden", sagte er der SZ. Viele Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst verdienten weniger als 2000 Euro netto monatlich. Werneke kritisiert auch den Verhandlungsstil der Arbeitgeber als undurchsichtig und chaotisch; diese hätten in den Medien andere Zahlen genannt als in den Verhandlungen.

Zur Schlichtung äußerte er sich skeptisch: "Ob es neue Ansatzpunkte gibt, ist die Frage." Werneke gab sich sicher, dass die Mitglieder bei einem Scheitern der Schlichtung für neue Streiks votieren würden. Er verwies auf den großen Verkehrsstreik von Montag. "Wir haben gesehen, wie viele Menschen gerade bereit sind, auf die Straße zu gehen. Bei dem, was die Arbeitgeber bisher auf den Tisch gelegt haben, habe ich überhaupt keine Zweifel, dass wir eine Mehrheit hinbekommen." 1992 streikten Müllwerker und Erzieherinnen nach dem Scheitern einer Schlichtung elf Tage lang. Die Arbeitgeber zeigten sich enttäuscht. "Wir bedauern sehr, dass die Einigung nicht zustande kam", sagte Verhandlungsführerin Karin Welge. "Die Gewerkschaften haben sich in ihrer Forderung eingemauert und nicht hinreichend bewegt."

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