Wenn der Sommer geht, beginnt für Apple die Erntezeit. Aus dem weltgrößten Geheimniskrämer-Konzern wird die Firma mit der aggressivsten PR-Maschinerie, den größten Versprechen und wildesten Superlativen. Kurz: Es ist Zeit für das neue iPhone. Dabei sind die Smartphones, die Apple-Chef Tim Cook am Mittwochabend deutscher Zeit vorstellte, nicht gerade revolutionär: 2015 ist im iPhone-Zyklus eines jener Zwischenjahre, in denen der Konzern die s-Serie präsentiert: identisches Design, aber mit veränderten Details im Inneren.
Im Vergleich zum iPhone der Generation 6 verfügen 6s und 6s Plus über eine bessere Kamera, die eine Auflösung von zwölf Millionen Bildpunkte bietet und auch Videos in 4K-Qualität aufnehmen kann. Außerdem steckt ein neuer und schnellerer Prozessor und mehr Arbeitsspeicher in den neuen iPhones. Unter anderem von der Apple Watch stammt eine Technik, die Apple nun 3D-Touch nennt. Sie kann zwischen unterschiedlich starkem Fingerdruck unterscheiden und so dem Telefon das Äquivalent zur rechten Maustaste und damit mehr Bedienfunktionen verschaffen. Dazu gibt es (wie bei Android) haptisches Feedback bei längerem Druck.
Apple-Präsentation:Überarbeitete Smartphones: iPhone 6s und iPhone 6s Plus vorgestellt
Tim Cook stellt in San Francisco die neuesten Apple-Produkte vor. Das iPad Pro ist das bisher größte Apple-Tablet, es gibt eine neue Generation von Apple TV und wie erwartet zwei überarbeitete Smartphones: das iPhone 6s und das iPhone 6s Plus.
Der Smartphone-Markt ist saturiert
An den Preisen hat Apple nichts geändert. Die s-Reihen liefern traditionell schwächere Verkaufszahlen, zumal bereits etwa 120 Millionen Kunden ein iPhone 6 oder 6 Plus haben. Für sie gibt es nicht allzu viel, was zum Kauf der neuen Modelle verlockt. Das Wachstum der vergangenen Quartale, in denen Apple im Vorjahresvergleich jeweils 30 Prozent mehr Umsatz machte, sei deshalb "mathematisch nicht aufrechtzuerhalten", warnen Analysten wie Toni Sacconaghi von Bernstein Research.
Ohnehin ist der Smartphone-Markt in vielen Regionen der Welt inzwischen saturiert. Dieser Trend und eine unsichere Entwicklung im bisherigen Apple-Wachstumsmarkt China sind für Apple nicht zu unterschätzen, erwirtschaftet die Firma doch zwei Drittel ihres gesamten Umsatzes mit dem iPhone.
Statt Smartphone-Neulinge muss der Konzern aus Cupertino deshalb die 300 Millionen Nutzer älterer Modelle überzeugen, die im Schnitt alle 18 bis 24 Monate ihr Handy wechseln und in der Regel Apple aus Gewohnheit treu bleiben. "Es funktioniert einfach", hieß einmal der Apple-Slogan. Noch gilt das auch für das iPhone: Tim Cooks Präsentationen haben nur wenig von den zukunftsschwangeren Auftritten von Steve Jobs, Smartphones unterscheiden sich inzwischen nur noch marginal - Komfortversprechen, Preis und Markenglanz sind die Kriterien, nach denen Kunden auswählen. Und siehe da: Es funktioniert für Apple.
Als erstes Produkt zeigte Marketing-Chef Phil Schiller ein iPad mit 12,9-Zoll-Bildschirm und - man höre und staune - mit Stift. Firmengründer Steve Jobs hatte nie einen gewollt, nachdem Samsung und Microsoft damit aber erfolgreich sind, hat nun auch Apple nachgezogen. Das günstigste Modell kostet 799 Dollar und ist ab November erhältlich.
Dass Apple auch eine neue TV-Box herausbringen wird, war in den vergangenen Tagen durchgesickert. Die neue TV-Box konkurriert mit ähnlichen Produkten von Google, Roku oder Amazon. Wie etwa Amazons FireTV kommt auch Apples Box (149 Dollar) mit einer Fernbedienung, die ein Mikro enthält. Die Sprachsteuerung soll das lästige Tippen per Fernbedienung ersparen.
Konkurrenz sind aber Spielkonsolen wie Xbox oder Playstation, vor allem beim Familienpublikum, das gelegentlich ein Unterhaltungsspiel zockt. Auch Samsung kündigte vor Kurzem an, mit dem Spiel-Streamingdienst Gamefly das "Netflix für Gamer" auf seine TV-Geräte zu holen. Allerdings soll Apple TVs App-Store nicht nur Spielen vorbehalten sein - so wird etwa auch für Twitters Selbststreaming-Dienst "Periscope" eine Anwendung an Bord sein.
Wie immer ist Apple schwer auszurechnen
Überhaupt Apps: Da Apple wohl auf absehbare Zeit keinen eigenen Fernseher baut, müssen es erst einmal die kleinen Programme sein, die der Box Leben einhauchen. Auch die Einführung eines eigenen TV-Pakets, das Netflix oder Amazon Konkurrenz machen könnte, wurde nämlich auf 2016 verschoben. Apple sucht offenbar gerade nach renommierten Akteuren aus dem Filmgeschäft, die eine Einheit für Eigenproduktionen aufbauen können.
Ob der Konzern aus Cupertino unter diesen Voraussetzungen den TV-Hardware-Markt aufrollen kann oder einer von vielen bleibt: Wie immer ist Apple schwer auszurechnen. Außer beim iPhone. Das war bei Weitem nicht das erste internetfähige Telefon. Doch am Ende funktionierte der Plan.
Es wird, wenn nicht alles täuscht, auch dieses Mal wieder funktionieren.