Apple-Rivale Samsung:Koreas Dynastie von Weltformat

Der Vater fuhr noch Reissäcke mit dem Fahrrad aus, der Sohn machte aus dem Familienunternehmen einen Technik-Giganten von Weltformat. Samsung-Boss Lee Kun Hee kann selbst Apple-Chef Tim Cook gefährlich werden. Doch seine Nähe zum Staat könnte dem Unternehmen des mächtigen Koreaners schaden.

Von Artur Lebedew

Eine Wutrede kann helfen auf dem Weg zum Weltkonzern. Der damals wie heute amtierende Samsung-Chef Lee Kun Hee sah Anfang der neunziger Jahre sein Unternehmen in Gefahr. Ineffizienz, schlampige Verarbeitung und ein verkrustetes Management passten mit den Welteroberungs-Plänen des Firmen- und Familienlenkers nicht zusammen. Nach vernichtender Kritik an einem Design-Zentrum des koreanischen Konzerns verkündete er Pathetisches: "Ich verspreche von diesem Tag an, dass ich für die Durchführung des neuen Managements meinen Ruf und mein Leben einsetzen werde." Auch von seinen Mitarbeitern verlangte er einen Neuanfang: "Tauscht alles und ändert alles, was ihr habt - außer eure Frau und eure Kinder."

Samsung ist ein Chaebol, einer der großen südkoreanischen Mischkonzerne, die in der Hand einzelner Familien sind. Und in einem Chaebol setzt der Patriarch seinen Willen durch. Er krempelte die Firma radikal um, feuerte 30.000 Angestellte, ließ - unerhört in vielen Firmen des Landes - ausländische Manager in die Führungsetage, bezahlte seine Mitarbeiter nach Leistung und investierte in Digitales.

20 Jahre später ist Samsung Electronics der größte Elektronikkonzern der Welt. In Sachen Smartphones könnten die Koreaner Apple mit dem Galaxy S4 vom Digital-Thron stoßen. Fast jedes dritte verkaufte Handy kommt von ihm. Das Unternehmen erwirtschaftet ein Fünftel von Südkoreas jährlichem Staatshaushalt. Auf die Vorstellung seiner neuen Produkte blickt die Technik-Gemeinde so gebannt wie sonst nur auf die Vorführungen des Rivalen Apple.

Im Vergleich zu den Kaliforniern ist der Konzern ein scheuer Riese geblieben. Ein Unternehmen, dessen verzweigte Strukturen und Beteiligungen, Machtverhältnisse und Arbeitsweisen schwer zu durchschauen sind. Neue Produkte werden wie Staatsgeheimnisse gehütet, immer wieder werden Korruptionsvorwürfe erhoben. Denn wirtschaftliche und politische Macht gehen in Südkorea schon lange eine noch engere Allianz ein als anderswo.

Ein Grund für den raschen Erfolg von Samsung lag auch in der koreanischen Kultur der Chaebols. Eine Riege von Familien sollte nach Meinung der Staatslenker das Land aufbauen und das Wachstum befeuern. Sie waren es, die Unternehmen wie den Autobauer Hyundai oder den Elektronik-Produzenten LG groß machten. Der Staat half ihnen durch generöse Subventionen und rechtliche Bevorzugung. Von guten Kontakten zur politischen Elite profitierten auch die Lees.

"Typisch asiatisch"

Ende der dreißiger Jahre gründete Lee Byung Chull, Vater des heutigen Chefs, die Lastwagenfirma Samsung. Auf Koreanisch bedeutet der Name "drei Sterne", den manche auf Byung Chulls drei Söhne zurückführen, andere auf die Werte, die er seinem Unternehmen verordnete: Größe, Stärke, Qualität. Fuhr der Gründer anfangs noch selbst Reissäcke mit dem Fahrrad aus, wuchs das Unternehmen schnell und in verschiedene Richtungen: Schon bald unterhielt der Familienbetrieb eine Zuckerfabrik, produzierte Nudeln und experimentierte mit Technik. Später kamen unter anderem ein Freizeitpark und eine Chemieabteilung dazu.

In den siebziger Jahren erkannte der alte Lee, dass die Zukunft der Elektrogeräte in der Halbleitertechnik lag. Er fuhr seine Technik-Sparte zweigleisig: auf der einen Seite schraubte Samsung für niedrige Löhne Fernseher und Kühlschränke für andere Firmen zusammen und baute so eigene Expertise auf. Gleichzeitig entwickelten Elektro-Experten mit viel Geld Halbleiter, die als Grundlage für Speicherchips dienen.

Als die Menschen sich in den Neunzigern Personal Computer in ihre Wohnungen holten, wurde Samsung reich; als Marktführer für Halbleiter fand sich ihre Technik in fast jedem Computer der Welt. Nach der Konzernübernahme von Lee Kun Hee begann das Unternehmen, das Geld auch in andere Techniksparten zu investieren. Samsung fertigte sämtliche Technik-Produkte selbst, ohne teure Zwischenhändler. Bald verkaufte der Konzern auch im Westen.

South Korean is reflected on the wall featuring the logo of Samsung Electronics in Seoul

Samsung will die Elektronik-Welt beherrschen

(Foto: REUTERS)

"Typisch asiatisches Verhalten", nennt Nikolaus Mohr Samsungs Ausbreitung über den Erdball. Er ist Technikbranchen-Experte der Unternehmensberatung Accenture. Am Anfang hätten Asiaten günstige, einfachere Geräte gebaut und sie auf heimischen Märkten verkauft. Nachdem die Firmen dort viel Geld verdient hätten, investierten sie in die Entwicklung innovativer Produkte und expandierten ins Ausland. "Auch viele chinesische Firmen machen das jetzt so", sagt Mohr.

Auch den heutigen Erfolg als Weltkonzern führt der Berater auf diese Strategie zurück. Samsung habe verstanden, wie die Technikbranche funktioniere: "Wer eine Innovation verschläft, ist aus dem Wettbewerb raus." Dabei spricht Mohr nicht davon, dass Unternehmen Neuerungen anderer "kopieren", sondern sie für ihr eigenes Produkt so schnell wie möglich "adaptieren".

Jong Yong Yun, ein früherer Chef von Samsung Electronics, beschrieb die Firmen-Strategie des Unternehmens einmal so: "Auch teurer Fisch wird nach ein oder zwei Tagen billig." Das gelte für Sushi und Handys in gleichem Maße. Weil Samsung praktisch alle technischen Details selbst produziert, kann es Innovationen auf dem Markt schnell aufgreifen und sie auf die Produkte übertragen.

Too big to fail - auch vor Gericht

Wenige Jahre nach Lees Wutrede hatte sich das Unternehmen von einer koreanischen Werkbank zu einem internationalen Technik-Giganten entwickelt, zu einer der weltweit bekanntesten asiatischen Marken. Seit Lees Amtsübernahme 1987 ist der Umsatz um das 40-fache gestiegen. Im vergangenen Jahr machte Samsung einen Gewinn von etwa 20 Milliarden Euro und kam seinem Rivalen Apple (Gewinn: etwa 30 Milliarden Euro) ein gutes Stück näher.

Samsung gilt in vielen technischen Bereichen Apple gegenüber als technisch überlegen. Produkt-Tests haben herausgefunden, dass die Handys des südkoreanischen Unternehmens schneller sind als die der Amerikaner. Auch Apples Muss-ich-haben-Effekt, durch den die Firma aus dem Silicon Valley den Markt jahrelang dominierte, geht zunehmend auf die Produkte von Samsung über. Das zeigt die Aufregung um das neue Galaxy S4.

Doch trotz hoher Verkaufszahlen und steigender Beliebtheit war Samsung bisher nicht in der Lage, Produkte wie iPhone oder Discman selbst zu erfinden und als Erste auf den Markt zu bringen. Hans Wienand, Vizepräsident von Samsung Deutschland, sieht darin keine Schwäche: "Wir bemühen uns um eine vielfältige Palette, die die Lebensstile und Wünsche unserer Kunden abdeckt." Auch das sei Innovation.

Experten kritisieren auch die immer noch beherrschende Stellung der Familie Lee. Sie mache den Konzern mit etwa 340.000 Mitarbeitern unbeweglich, schreibt Samsung-Insider Kim Yong Chul in seinem 2010 veröffentlichten Buch "Think Samsung". Während die meisten mächtigen Familien ihre dominierende Rolle in den Chaebols aufgegeben hätten, sei Samsung in einer globalisierten Wirtschaft zu sehr von einer kleinen Gruppe Menschen abhängig. Korruptionsaffären und Verstrickungen mit dem Staat könnten in Zukunft zur Achillesverse des Unternehmens werden.

Wie tief Samsung in dubiosen Machenschaften verwickelt ist und wie sehr es vom Staat abhängt, zeigt ein Fall aus dem Jahr 2008. Damals entschied ein Gericht in Südkorea, dass Konzern-Chef Lee Kun Hee Hunderte Millionen Euro Steuern veruntreute. Er wurde zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Kurze Zeit später begnadigte ihn Präsident Lee Myung Bak. Begründung: Die Wirtschaft könne nicht auf Lee verzichten.

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