Margrethe Vestager kommt wie immer schnell zum Punkt: Indem der US-Konzern Apple Drittanbietern keinen Zugang zur Apple Pay genannten Bezahlfunktion ihrer iPhones oder Uhren gewähre, verzerre das Unternehmen den Wettbewerb. "Apple", sagt die streitbare EU-Kommissarin am Montag bei einer Pressekonferenz in Brüssel, "habe die Tore geschlossen und seine eigenen Regeln gesetzt". Die EU-Kommission hat Apple nun eine Liste mit Beschwerden geschickt. Der Konzern muss sich dazu äußern, ansonsten droht eine hohe Geldbuße.
Streitpunkt sind die sogenannten mobilen Wallets. Mobile Wallets, das sind elektronische Geldbörsen, in denen man etwa Kredit- und Kundenkarten oder Tickets elektronisch speichern kann. Die Kommunikation mit Bezahlterminals läuft über den Standard Near Field Communication (NFC). Apple aber lässt Zugriffe für Bezahlvorgänge via NFC nur für seine eigene mobile Wallet zu.
Genau darin sieht die Kommission das Problem: Eigentlich, sagt Vestager, stecke in mobilen Wallets viel Potenzial für Innovation. Weil aber Apple kein anderes als das eigene Wallet zulasse, würden viele Entwickler gar nicht erst anfangen, Wallets zu programmieren. Denn es würde sich für sie nicht lohnen, nur für ein Betriebssystem - das mit Apples iOS konkurrierende Android - zu entwickeln. Dabei seien weder NFC noch die Terminals in der Hand von Apple, Apple blockiere bloß den Zugang zum NFC-Chip. Besonders Banken in Europa sehen sich hier benachteiligt
Die Untersuchung der EU-Kommission in dem Fall läuft bereits seit Juni 2020. Besonderes Augenmerk habe man dabei auf das Thema Sicherheit gelegt, sagt Vestager. Unter anderem mit dem Argument, man wolle die Apple-Nutzer vor böswilligen Angriffen schützen, verteidigt sich der US-Konzern gegen die Vorwürfe der Wettbewerbsverzerrung. "Wir haben aber keinerlei Hinweise darauf gefunden, dass mit der Zulassung von Drittanbieter-Wallets ein höheres Risiko für die Sicherheit bestehen würde", sagt Kommissarin Vestager. Die Beschränkung auf Apples Wallet lasse sich damit nicht rechtfertigen. Sie hoffe nun, so Vestager, dass der Digital Markets Act (DMA) bald in Kraft treten werde. Dieses Gesetzeswerk nimmt die Konzerne in solchen Fragen stärker in die Pflicht.
Das Vorgehen der EU-Kommission trifft Apple an einem empfindlichen Punkt. Schon lange gehört es zur Praxis des Konzerns, sein Portfolio an Geräten, zunehmend aber auch an Dienstleistungen wie Musikstreaming zu einem geschlossenen System zu formen. Nicht immer gibt es dabei technische Hürden wie bei der Computeruhr von Apple, die sich nur mit einem iPhone in Betrieb nehmen lässt. Oft ist es auch nur der bequemere Weg, einen Service von Apple hinzu zu buchen. Dahinter aber steht in jedem Fall der Wille, die Kunden möglichst für die eigenen Produkte zu gewinnen.
Das Konkurrenzsystem Android von Google hat zwar einen offeneren Ansatz, es gibt sogar eine quelloffene, Google-freie Variante von Android. Doch nahezu alle Hardware-Hersteller kooperieren mit Google, weshalb die Google-Anwendungen bereits auf den Geräten vorinstalliert sind. Immerhin aber erlaubt Google auch Drittanbietern den Zugriff auf den NFC-Chip. In einer ersten Stellungnahme ließ Apple verlauten, Apple Pay sei nur eine von vielen Bezahlmöglichkeiten für europäische Verbraucher. Man gewähre allen den gleichen Zugang zum NFC-Chip und setze Maßstäbe bei der Sicherheit.
Wie geht es nun weiter? Apple muss nun Stellung beziehen und gegebenenfalls seine Haltung zum Thema NFC überdenken. Geschieht das nicht, könnte ein offizielles Verfahren folgen, das in eine Strafzahlung mündet. Um mehrere Milliarden dürfte es dabei allerdings nicht gehen, deutete Vestager an. Es handle sich um einen eher speziellen Markt, nicht etwa um das gesamte Geschäft von Apple.