Süddeutsche Zeitung

Silicon Future:Lamborghini-Laptops

Lesezeit: 3 min

Jetzt streiten sie wieder, die Prozessorflüsterer: Wie schnell sind Apples neue Chips wirklich? Eine andere wichtige Frage geht dabei allerdings völlig unter.

Von Helmut Martin-Jung

Mal angenommen, ein Autobauer hätte seine Motoren nicht selbst entwickelt, sondern von großen Herstellern zugekauft. Erst lange von einem, dann etwas überraschend von einem anderen. Bis er - groß und mächtig geworden - irgendwann beschloss, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Mit kleinen Modellen fing es an, bis schließlich auch die großen Boliden drankamen. Nun konnte sich der ehemals eher kleine Hersteller nicht nur des hübschen Designs seiner Autos rühmen, der guten Verarbeitung und so weiter. Nun konnte er auch die absolut einzigartige Qualität seiner Motoren bewerben. Leistungsstärker als die der Konkurrenz seien die und dennoch sparsamer im Verbrauch.

Etwas Ähnliches spielt sich gerade im wirklichen Leben ab. Der Elektronikkonzern Apple stattet inzwischen nicht mehr bloß seine iPhones, sondern auch Kleinrechner und Laptops und seit neuestem auch Profi-Notebooks mit eigenen Haupt-Chips aus - sozusagen die Motoren der Computerwelt. Und Apple wäre nicht Apple, würde sich der Konzern dafür nicht selbst in den Himmel loben. Früher, als die Central Processing Units (CPU) und die Graphics Processing Units (GPU) noch von Intel und anderen Herstellern stammten, gab es ja keinen Grund, sie besonders hervorzuheben, auch wenn Apple oft genug zu den ersten gehörte, die neue Entwicklungen in ihren Geräten einsetzten.

Die Expertenwelt ist nun gespalten zwischen denjenigen, die Apple für ihre Fortschritte loben und anderen, die erst einmal abwarten wollen, wie sich die neuen Rechnerherzen im wirklichen Leben schlagen. Tatsächlich ist es dem Konzern mit nicht unbeträchtlichem Aufwand gelungen, aus den Designs der britischen Prozessorschmiede ARM, die auch andere Hersteller wie etwa Qualcomm verwenden, eine Menge herauszuholen. Die vor kurzem vorgestellten jüngsten Versionen für die Profi-Notebook-Reihe von Apple versprechen Leistung satt und das bei relativ geringer Leistungsaufnahme. Apple hat aber bislang nicht mitgeteilt, mit welchen Leistungstests - Experten sprechen von Benchmarks - man zu Ergebnissen gelangt ist, die das Apple Silicon weit vor der Konkurrenz platzieren. Von diesem Dienstag an werden die ersten neuen MacBooks pro ausgeliefert, bald wird man also Genaueres wissen.

Bei der Diskussion geht eines allerdings völlig unter: die Frage, ob Nutzer die Hochleistungschips überhaupt brauchen. Die Entwicklung bei Laptops verläuft ja ähnlich wie bei Smartphones. Jedes Jahr kommen neue Generationen auf den Markt, doch den Marketingleuten fällt es immer schwerer, potenziellen Käufern zu erklären, warum sie sich die jetzt unbedingt holen sollen. Tatsächlich ist der Unterschied zur Vorgängergeneration meist klein, echte Killer-Features sucht man vergebens.

Bei Laptops kommt noch hinzu, dass die meisten Anwender sie für Aufgaben nutzen, bei denen sich selbst mittelschnelle Geräte eigentlich nur langweilen. Ein bisschen Internet, Mails und Texte schreiben, vielleicht mal eine Tabelle bearbeiten - das schaffen Laptops für 500 Euro auf der linken Pobacke. Dafür einen 3000-Euro-Laptop anzuschaffen, wäre so, als würde man mit einem Lamborghini zum Einkaufen fahren. Kann man machen, ist aber ziemlicher Unsinn.

Während man darüber streiten kann, ob man Lamborghinis etc. überhaupt braucht, liegt die Sache bei Laptops etwas anders. Wer etwa unterwegs unter Zeitdruck Filme in hoher Auflösung schneiden muss, ist froh um jedes PS mehr, das ein Arbeitsgerät liefern kann. Die Grafikfähigkeiten neuerer Chips lassen sich auch gut für maschinelles Lernen nutzen, und sie können mehrere Bildschirme in hoher Auflösung ansteuern.

Wer nicht zu solch echten Profi-Anwendern gehört, für den ist ein Laptop wie die neuen MacBooks pro lediglich ein Statussymbol, substanziell schneller arbeiten wird man damit nicht. Immerhin hat Apple dieses Mal die Sache mit dem Design nicht mehr ganz so streng genommen wie früher. Die neuen Rechner bringen genügend Buchsen mit, um Peripheriegeräte anzuschließen; das Wursteln mit (teuren) Adaptern fällt damit meist weg. Und der kleine, berührungsempfindliche Bildschirmstreifen oberhalb der Tastatur, der bei den Apple-Nutzern eh nicht beliebt war, ist auch wieder verschwunden.

Prinzipiell aber gilt: Nur wer eine Rennmaschine braucht, sollte sich einen solchen Lamborghini unter den Laptops kaufen, alle anderen wären damit einfach nur übermotorisiert.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5448537
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.