Zehn Jahre iPad:Steve Jobs' zweiter Streich

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Vor zehn Jahren stellte Steve Jobs das erste iPad in San Francisco vor. (Foto: dpa)

Vor zehn Jahren stellte der Technikkonzern Apple sein Tablet vor. Doch der Hype ist vorüber - und Notebooks gibt es immer noch.

Von Helmut Martin-Jung, München

"Das Keyboard noch etwas lauter", bittet die Sängerin auf der Bühne beim Soundcheck. Der Mixer steht nur ein paar Meter von ihr entfernt, aber fast 20 Meter weit weg von seinem großen Mischpult. Doch schon bald ist das Keyboard aus den Monitor-Boxen zu Füßen der Sängerin sehr viel besser zu hören. Der Soundmann hat die Einstellung über sein Tablet vorgenommen, ganz einfach mit den Fingern. Der flache Computer ist per Funk mit dem Mischpult verbunden - eine große Arbeitserleichterung.

An diesem Montag vor zehn Jahren hatte der damalige Konzernchef Steve Jobs das erste Apple-Tablet präsentiert mit dem unvergessenen Satz: "Wir nennen es das iPad." Tablets finden sich heute in der Industrie zur Steuerung ganzer Anlagen, im Krankenhaus, wo Ärzte damit zum Beispiel Daten erfassen. Oder in den Cockpits von Verkehrsflugzeugen, wo sie den Piloten das Handbuch in Gewicht sparender Form zur Verfügung stellen. Und sie finden sich in der Mehrzahl der Haushalte in Deutschland. Sechs von zehn Bundesbürgern nutzen mindestens gelegentlich ein Tablet, wie der Branchenverband Bitkom ermittelt hat.

Für Apple wurden die Tablet-Computer zu einer Erfolgsgeschichte. Die Erwartungen, dass sie sogar Notebooks ablösen könnten, haben sich aber nicht einmal für Apple erfüllt. Auch der große Hype um Tablets ist schon wieder vorbei, viele Hersteller sind aus dem Geschäft ausgestiegen, weil die verkauften Stückzahlen zu gering für sie waren, für manche Hersteller waren sie regelrecht zum Verlustgeschäft geworden. Das lag nur zu einem geringeren Teil an der Hardware, sondern vor allem an der Software: Apple gelang es einfach besser, Hard- und Software gut aufeinander abzustimmen.

Die Hoch-Zeiten des iPads sind zwar auch vorbei. Zu den besten Tagen, im Weihnachtsgeschäft 2013, verkaufte Apple weltweit satte 26 Millionen iPads. 2017 waren es im selben Zeitraum aber immerhin noch 13,2 Millionen (fürs vierte Quartal 2019 gibt es noch keine Zahlen). Die Kalifornier führen jedoch das Feld der verbliebenen Hersteller mit großem Vorsprung an. Weit mehr als die Marke iPhone für Smartphones steht die Bezeichnung iPad für die Kategorie der Tablet-Computer.

Warum müssen manche Programme so kompliziert sein?

Wie auch bei den meisten anderen Erfolgsprodukten von Apple war der Konzern mit Hauptsitz in Cupertino bei San Francisco nicht der erste, der ein solches Produkt gebaut hat. An Tablets versuchten sich davor schon auch andere Hersteller. Apple jedoch übertrug das mit dem iPhone (2007) erarbeitete Konzept auf das größere Gerät, das sich damit seine Nische erarbeitete. So schien es zumindest zu sein, eigentlich aber hatte Apple ursprünglich im Sinn, ein Tablet zu entwickeln. Doch dann erkannten Jobs und seine Mitstreiter, dass die Gelegenheit günstig war, ein Smartphone auf den Markt zu bringen, und konzentrierten sich zunächst auf das iPhone.

Es war wohl eine der folgenreichsten Entscheidungen in dieser Branche überhaupt, denn Apple begründete nicht bloß eine neue Kategorie, sondern setzte auch Maßstäbe, was die Benutzerfreundlichkeit elektronischer Geräte angeht und darüber hinaus. Gute Usability ist Pflicht geworden - nicht bloß für andere Hersteller von Smartphone-Systemen, sondern für bildschirmbasierte Systeme überhaupt. Wenn es so einfach sein kann, ein eigentlich komplexes Gerät zu bedienen, warum müssen dann manche Programme so kompliziert sein? Das fragen sich viele Nutzer.

Das iPad profitierte als große Variante des iPhones zunächst davon. Doch der Trend zu immer größeren Smartphones und höher aufgelösten Bildschirmen nagt stetig an der Existenzberechtigung vor allem von Tablets mit kleineren Bildschirmen. Zudem gibt es mittlerweile auch Notebooks, deren Bildschirme sich um 180 Grad nach hinten klappen lassen, sodass der Computer als Tablet genutzt werden kann. Das ist allerdings um einiges dicker und schwerer als ein iPad, zudem ist das auf den meisten dieser Geräte installierte Windows 10 weniger gut für die Bedienung mit den Fingern geeignet.

Für einige iPad-Modelle bietet Apple seit einigen Jahren Stifte an, mit denen sich auf dem iPad schreiben oder auch malen lässt. In diesem Punkt war der südkoreanische Konkurrent Samsung aber vorgeprescht und hatte schon vor Jahren Tablets mit Stiftoption auf den Markt gebracht. Tablets mit Stift sind unter anderem bei Studenten beliebt, weil sie es ermöglichen, in PDF-Skripte der Dozenten Notizen einzufügen. Aber auch eine Reihe von Künstlern nutzt diese Fähigkeiten von Tablets. In der Musikszene spielen iPads ebenfalls eine Rolle, nicht nur als Fernbedienung von Mischpulten, sondern auch als Ministudio. Mit entsprechender Software lassen sich kleinere Produktionen oder Demos auf recht einfache Weise herstellen.

Tablets haben Notebooks nie komplett ersetzen können

Zu einem vollwertigen Ersatz für Notebooks sind die Flundern allerdings nicht geworden, auch wenn Apple selbst und eine Armada von Zubehörherstellern Tastaturen und Hüllen anbieten. Das liegt nicht bloß an der Bedienbarkeit, die bei komplexeren Aufgaben manchmal umständlich ist. Es liegt auch an der Software. Programme mit Profianspruch sind nach wie vor eher die Domäne von Notebooks und stationären Computern, für Tablets gibt es oft nur abgespeckte Versionen davon. Apple steuert dem inzwischen entgegen und hat für das iPad ein eigenes Betriebssystem entwickelt.

Die wohl wichtigste Nische der Tablets ist die Unterhaltung. Bei den meisten Privatbesitzern liegt das iPad im Wohnzimmer. Dank des optimierten Betriebssystems erwacht es verzögerungsfrei aus dem Stromsparmodus und ist das ideale Zweitgerät für Medienkonsum, zur Steuerung von Smart-Home-Geräten und als Zweitbildschirm, etwa um den "Tatort" oder ein Sportereignis auf Twitter oder Facebook zu kommentieren oder um schnell etwas nachzuschlagen. Die Konkurrenz durch Smartphones dürfte künftig zwar noch zunehmen, in ihrer Nische aber werden sich die Tablets wohl noch geraume Zeit behaupten können.

© SZ vom 27.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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