Süddeutsche Zeitung

Apple:Genies in der Garage

Seltsam unscheinbar ist der Ort, an dem Steve Jobs, seine Adoptivschwester Patricia und sein Kumpel Steve Wozniak die ersten Apple-Computer bauten. Dennoch wurde die Garage von der Historical Commission in die Liste schützenswerter Gebäude aufgenommen. Ein Besuch im kalifornischen Los Altos.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Da ist sie also, diese berühmteste Garage der USA. Diese für manche Menschen geradezu mystische Pilgerstätte, die nun von der Historical Commission in die Liste schützenswerter Gebäude aufgenommen wurde: 2066 Crist Drive, Los Altos, Kalifornien. Ganz ehrlich: Es ist eine stinknormale Garage, angeschlossen an ein stinknormales Haus in einer stinknormalen Straße. Das mächtige Dach drückt die dunkelweißen Wände nach unten, der böse Wolf müsste nicht einmal husten und prusten, um dieses Gebäude zum Einsturz zu bringen. Es gibt keinen Zaun, ein Eichhörnchen hüpft direkt von der Straße auf den frisch gemähten Rasen und von dort aus weiter zum Baum im Nachbargarten.

Es bräuchte eine Gedenkplakette, die dem unkundigen Besucher mitteilt: Hier, in diesem unscheinbaren Zweckbau, haben Steve Jobs, seine Adoptivschwester Patricia und sein Kumpel Steve Wozniak einst Computer zusammengeschraubt. Hier haben die beiden Burschen Verhandlungen mit Kunden geführt und am 1. April 1976 gemeinsam mit Ronald Wayne das Unternehmen gegründet, das mittlerweile als wertvollste Marke der Welt gilt. Hier ging es damals los mit Apple.

"Woz und ich haben in dieser Garage hart gearbeitet - innerhalb von zehn Jahren hat sich Apple von zwei Typen in einer Garage zu einem Zwei-Milliarden-Dollar-Unternehmen entwickelt", sagte Jobs einmal über diesen Ort. Wozniak hielt die Garage für eine Werkstatt (und sagte später, dass das erste Büro eher in seinem Schlafzimmer gewesen sei denn in der Garage). Jobs dagegen träumte in der Garage davon, die Welt zu verändern: "Nur die Menschen, die verrückt genug sind zu glauben, dass sie die Welt verändern können, schaffen das auch eines Tages."

"Er sah ein bisschen aus wie ein Hippie"

Joan Tankersley ist 87 Jahre alt, sie wohnt seit 60 Jahren in der Straße. Sie hat Steve Jobs jeden Tag gesehen, wie er da vor der Garage stand mit diesem Rollkragen-Pulli, der zunächst rot gewesen sei und dann irgendwann pink wurde, weil ihn seine Adoptivmutter Clara so oft gewaschen hat: "Als es losging, haben plötzlich eine Menge schicker Autos hier angehalten. Steve kam dann herausgetanzt, er war meistens barfuß und hatte eine abgeschnittene Jeans an, bei der man die Unterwäsche sehen konnte. Er sah ein bisschen aus wie ein Hippie." Nicht wenige Nachbarn hätten Jobs damals für einen lieben Spinner gehalten. "Irgendwann kam er über die Straße gelaufen und rief: 'Wir haben Farbe!'", sagt Tankersley. "Mich hat das nicht sonderlich interessiert, weil ich nicht wusste, was zur Hölle er da drin überhaupt gemacht hat." Wozniak und Jobs hatten gerade den Apple II gebaut.

Heute käme nur selten jemand, um sich das Haus oder die Garage anzusehen, sagt Tankersley, vielleicht mal eine Schulklasse oder einer im Steve-Jobs-Rollkragenpulli, der nicht rot oder pink ist, sondern schwarz. Es gibt ein Schild, auf dem werden Besucher gebeten, das Grundstück bitteschön nicht zu betreten und Fotos nur von der Straße aus zu machen. Eine Frau spaziert vorbei, sie heißt Kristi Gannon und will zur Arbeit: "Wissen Sie was? Ich gehe seit acht Jahren jeden Tag hier vorbei und hatte keine Ahnung, dass Steve Jobs hier gelebt hat."

Woher auch? Das Gebäude selbst erzählt keine Geschichte - und verrät deshalb einiges über Steve Jobs, sein Unternehmen und diese Gegend, die mittlerweile als Epizentrum kreativer Eruptionen gilt. 1951 wurde es errichtet und hatte 32 Jahre lang die Hausnummer 11 161, den Begriff "Silicon Valley" gab es damals noch nicht. Los Altos war ein Örtchen zwischen San Francisco und San José, in dem die Menschen ihre Ruhe hatten. Die Häuser hatten kein Design und keinen architektonischen Plan, sie wurden massenweise hingestellt. Sie waren praktisch, funktional, unspektakulär, die Menschen sollten darin essen und schlafen.

So auch das Haus im Crist Drive, das heute Jobs' Schwester Patricia gehört und von der Stiefmutter Marilyn Jobs bewohnt wird: Steve Jobs hat nicht angefangen, in dieser Garage zu arbeiten, weil er dort die Möbel nach Feng-Shui-Prinzip anordnen konnte oder weil er diesen Ort als Quelle der Inspiration ansah. Er zog dorthin, weil das Haus einfach zu klein war. Die ersten 50 Computer hatte er noch im Gästezimmer gebaut, erst dann wich er in die Garage aus. Das Besondere an diesem Gebäude, das ist nicht schwer zu sehen, ist gewiss nicht seine Architektur. Das Haus wird besonders aufgrund der Dinge, die darin passiert sind.

Alles soll so bleiben, wie es ist

Die Konsequenzen der Aufnahme in die Liste der zu schützenden Gebäude sind indes baulich: Künftig muss jede Veränderung am Haus bei der Stadtverwaltung beantragt werden, das gilt nicht nur für Renovierungsarbeiten am stets geschlossenen weißen Garagentor, sondern auch für die Verlegung von Lichtschaltern im Wohnzimmer. Es soll alles so bleiben, wie es ist. Das ist ungewöhnlich im Silicon Valley, wo gewöhnlich alles größer und besser und spektakulärer sein muss - wie der neue Hauptsitz von Apple, der ein paar Kilometer weiter in Cupertino gebaut werden wird. Bis zu fünf Milliarden Dollar soll der monströse Glaskringel kosten, eine wunderschöne Straße wird dafür verschwinden.

Vielleicht ist der Schutz dieser unscheinbaren Garage auch eine Botschaft an die Menschen in Silicon Valley, dass sehr bedeutende Dinge bisweilen an eher unbedeutenden Orten entstehen. Beim Bau des neuen Apple-Hauptquartiers werden Gebäude niedergerissen, die einst der Firma Hewlett Packard gehörten. Dieses Unternehmen wurde am 1. Januar 1939 von Jobs' Vorbildern Bill Hewlett und David Packard gegründet. In einer Garage, keine zehn Kilometer entfernt vom Crist Drive. Das mag Zufall sein. Vielleicht aber auch nicht.

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SZ vom 30.11.2013/mike
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