Wettbewerb:Apple-Nutzer zahlen zu viel

Spotify

Im Streit um die Rolle von Spotify bei der Verbreitung von Desinformation in der Corona-Debatte will nun auch Joni Mitchell ihre Songs von der Plattform entfernen lassen.

(Foto: Fabian Sommer/dpa)

Die EU-Kommission beklagt harsche Regeln im App-Store: Anbieter wie Spotify würden benachteiligt, was zu höheren Preisen für die Kunden führe. Apple weist alle Vorwürfe zurück.

Von Björn Finke, Brüssel

Nutzer von iPhones und iPads zahlen zu viel Geld für Abonnements von Musikdiensten - und Schuld daran sind die unfairen Bedingungen, die für Anbieter im App-Store gelten, dem Software-Portal des Herstellers Apple. So lautet zumindest die vorläufige Einschätzung der EU-Kommission. Die Brüsseler Wettbewerbshüter teilten am Freitag die Ergebnisse ihrer zehnmonatigen Untersuchung mit. Demnach besteht der Verdacht, dass der kalifornische Technologiekonzern seine marktbeherrschende Stellung ausnutze.

Das Unternehmen kann sich nun verteidigen oder seine Geschäftspolitik ändern. Werden die Vorwürfe nicht ausgeräumt, kann die Behörde Strafen von bis zu zehn Prozent des weltweiten Umsatzes verhängen und das kritisierte Verhalten verbieten. Das hätte dann nicht nur Folgen für Musikdienste, sondern würde den gesamten App-Store betreffen. Die zuständige Kommissions-Vizepräsidentin Margrethe Vestager sagte, die "strengen Regeln" im App-Store benachteiligten Streaming-Anbieter, die mit Apples eigenem Service "Apple Music" konkurrieren: "Apple nimmt Nutzern die Möglichkeit, sich für günstigere Streaming-Angebote zu entscheiden, und verzerrt den Wettbewerb."

Angestoßen wurde das Verfahren vom weltweit größten Streamingkonzern Spotify. Die Schweden beschwerten sich vor zwei Jahren über ihrer Meinung nach harsche Regeln im App-Store von Apple. Die Kommission begann im vorigen Sommer eine förmliche Untersuchung und gab Spotify jetzt recht. Die Behörde beklagt genau wie Spotify, dass Streamingdienste gezwungen seien, neue Abonnements über Apples Bezahlplattform abzuwickeln und dafür bis zu 30 Prozent Provision an das Unternehmen zu überweisen. Diese Kosten wälzen die Anbieter nach Einschätzung der Kommission meist auf die Kunden ab. Spotify entschied sich bereits 2016, keine Premium-Abonnements mehr über die App abzuschließen, um die Provision zu vermeiden.

Zweiter Vorwurf: Apple sabotiere diese Ausweichstrategie, indem die Kalifornier Anbietern verböten, Kunden darauf hinzuweisen, dass sie Abos auch außerhalb der iPhone-App abschließen können, etwa auf einer Internetseite - und das billiger. Der Technologiekonzern erhöhe damit die Kosten für Wettbewerber des eigenen Services "Apple Music", was wiederum zu höheren Preisen für Kunden führe, argumentiert die Kommission.

Auch ein Hörbuchhändler hat sich beschwert

Apple weist die Vorwürfe zurück. "Im Kern dieses Falls steht die Forderung von Spotify", in der iPhone- oder iPad-App für Abo-Abschlüsse außerhalb der App werben zu dürfen. Doch das wäre eine "Praxis, die kein Laden der Welt erlaubt", sagt ein Sprecher. "Wieder einmal will Spotify alle Vorteile des App-Stores nutzen und meint, dafür nichts zahlen zu müssen." Und zum Vorwurf, der Konzern wolle "Apple Music" unlautere Vorteile verschaffen, heißt es: "Spotify ist mittlerweile der größte Musik-Abonnementdienst der Welt, und wir sind stolz auf die Rolle, die wir dabei gespielt haben."

Neben Spotify hatte auch ein E-Book- und Hörbuchhändler eine ähnliche Beschwerde bei der Kommission eingelegt. Dazu teilte die Behörde am Freitag aber nichts mit. Aus dem Umfeld von Apple ist zu hören, dass es bei dieser Untersuchung keine Bewegung gebe. Ähnlich sehe es bei der Untersuchung zum kontaktlosen Bezahlen aus. Finanzdienstleister hatten moniert, dass Apple keinen Zugriff auf den sogenannten NFC-Chip gewähre, dank dessen Kunden mit ihrem iPhone statt mit einer Bankkarte bezahlen können.

Kommissions-Vize Vestager bezeichnete Apple am Freitag als "gatekeeper", als Pförtner, der regelt, welche Dienste iPhone- und Pad-Besitzer zu welchen Bedingungen verwenden können. Da das Unternehmen gleichzeitig selbst Services wie "Apple Music" anbietet, besteht aus Sicht der Wettbewerbshüter immer die Gefahr, dass Pförtnermacht zulasten der Rivalen eingesetzt wird. Einen ähnlichen Vorwurf machte Vestager im November Amazon, und Google wurde auf Grundlage dieser Logik bereits zu 2,4 Milliarden Euro Strafe verdonnert.

Ein neues Gesetz soll Abhilfe schaffen

Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber nennt den Vorstoß bei Apple "schon lange überfällig". Apple nutze den App-Store, um sich "mit dubiosen vertraglichen Klauseln und überzogenen Nutzungsgebühren die Konkurrenz vom Leib zu halten", sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der christdemokratischen EVP-Fraktion. "Mit solchen Praktiken sorgen Gatekeeper wie Apple zu oft dafür, dass echter Wettbewerb erst gar nicht entstehen kann."

Wettbewerbsverfahren ziehen sich aber lange hin. In den schnelllebigen Digitalmärkten können benachteiligte Anbieter längst Pleite sein, bis sich nach jahrelangen Prozessen etwas ändert. Um Abhilfe zu schaffen, schlug Vestager im Dezember ein Gesetz über digitale Märkte vor. Das soll Pförtnern wie Google, Apple und Amazon Verhaltensvorschriften machen. Diesen Plattformen, die für viele Bürger das Tor zum Internet oder zum Online-Einkauf sind, soll es von vorneherein verboten sein, sich mit ihrer Marktmacht und ihrem Datenschatz unfaire Vorteile zulasten kleinerer Rivalen zu verschaffen. Die Kommission will künftig von Anfang an verhindern, dass solche Konzerne ihre Stellung missbrauchen, anstatt erst einzugreifen, wenn der Schaden entstanden ist.

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