Apple:Der X-Faktor

Apple: Ten years after: Apple-Chef Tim Cook präsentiert am Dienstag in der Zentrale in Cupertino das neue iPhone X. Hinter ihm ein großes Foto von Apple-Gründer Steve Jobs, wie er vor zehn Jahren das erste iPhone vorstellt.

Ten years after: Apple-Chef Tim Cook präsentiert am Dienstag in der Zentrale in Cupertino das neue iPhone X. Hinter ihm ein großes Foto von Apple-Gründer Steve Jobs, wie er vor zehn Jahren das erste iPhone vorstellt.

(Foto: Marcio Jose Sanchez/AP)

Apple setzt in das neue iPhone X große Erwartungen - das Smartphone mit neuem Design und technischen Veränderungen soll nachlassende Begeisterung anfachen.

Von Helmut Martin-Jung

"X-Factor", die Älteren erinnern sich, war eine Fernsehserie aus der Zeit der Jahrtausendwende, die sich um mysteriöse Ereignisse drehte. Das neueste iPhone-Flaggschiff, das Apple am Dienstag vorgestellt hat, heißt iPhone X. Mysteriös ist daran allerdings wenig. Denn mehr noch als schon in den vergangenen Jahren sind dieses Mal trotz Apples notorischer Geheimniskrämerei nicht bloß der Name, sondern auch so gut wie alle Merkmale des neuen Smartphones bereits vorab bekannt geworden. Das X steht aber auch gar nicht für eine übernatürliche Fähigkeit, gemeint ist die römische Zahl zehn - vor zehn Jahren kam das erste iPhone auf den Markt. Apple-Chef Tim Cook nutzte denn auch den legendären Satz von Gründer Steve Jobs: "There is one more thing." Eingeleitet worden war die Veranstaltung im spektakulären Steve-Jobs-Theater am neuen Firmensitz in Cupertino mit einer Audio-Aufnahme von Firmengründer Jobs, der über die Firmenphilosophie von Apple sprach. Als seine Nachfolger Tim Cook auf die Bühne trat, wischte er sich erst einmal eine Träne aus dem Augenwinkel und sprach die ersten Sätze mit tränenerstickter Stimme. Schauspielerei oder nicht - seine Wirkung auf das Publikum im weiten Rund verfehlte es jedenfalls nicht. Wichtigste Neuerung des iPhones X ist ein Bildschirm mit Oled-Technik. Diese selbstleuchtenden organischen Leuchtdioden werden von der Konkurrenz, zum Beispiel von Samsung, schon seit vielen Jahren für Smartphones eingesetzt. Und das neue Display des iPhones wird sogar von Samsung hergestellt, dem Erzrivalen der Kalifornier. Was ein Grund dafür sein soll, dass das iPhone X das bisher teuerste überhaupt ist: Die Startversion kostet in den USA 999 Dollar. In Deutschland sind es 1149 Euro, bei der Version mit mehr Speicher sogar 1319 Euro. Freunde von Apples Home-Knopf, der einen stets zurück auf den Startbildschirm bringt, müssen sich deswegen umstellen. Weil der Oled-Bildschirm - so wie Samsung oder LG das vorgemacht haben - nahezu die gesamte Vorderseite des Smartphones einnimmt, fällt der Home-Button nun weg. Er wird ersetzt durch eine neu eingeführte Bedienungs-Geste. Man wischt von unten nach oben und kommt so zurück zum Startbildschirm. Da damit auch die von vielen Nutzern geschätzte und von anderen Herstellern kopierte Möglichkeit des Entsperrens per Fingerabdruck wegfällt, hat sich Apple viel Mühe gegeben, das Gerät per Gesichtserkennung zu entsperren. Ein Infrarot-Projektor und ein Tiefensensor sollen in Verbindung mit der Kamera dafür sorgen, dass Gesichter zuverlässig erkannt werden, auch bei Nacht, mit oder ohne Brille. Gehässige Zeitgenossen werden mit einiger Sicherheit argumentieren, Apple liefere mit dem iPhone X doch bloß das nach, was die Konkurrenz schon biete. Das ist nicht völlig falsch, verkennt aber das Wichtigste: Nahezu immer gelingt es den Kaliforniern, das beste Gesamtpaket zu liefern. Mag der Bildschirm des einen Konkurrenten mess-, aber kaum sichtbar noch schärfer sein, der Hauptprozessor eines anderen womöglich einen Tick schneller - in der Praxis merkt man davon wenig bis nichts. Das iPhone X setzt mit seiner innovativen Gesichtserkennung sogar neue Standards.

Die iPhones werden außerdem zuverlässig mit Updates des Betriebssystems versorgt, das unselige Gewurstel mit eigenen Android-Versionen der verschiedenen Hersteller gibt es hier nicht. Apple kontrolliert Hard- und Software. Das iPhone-App-Universum wird auch besser auf schädliche Apps überwacht. All das - und natürlich Gewöhnung sowie der Snob-Effekt - macht die Anziehungskraft des iPhones aus. Auch das gut entwickelte Zubehör-Sortiment trägt seinen Teil bei.

Dennoch wird von Generation zu Generation deutlicher: Im Segment der Smartphones sind wirklich revolutionäre Entwicklungen kaum mehr zu erwarten. Apple hat es mit dem ersten wirklich massentauglichen Gerät begründet, die technologische Führung haben größtenteils asiatische Firmen übernommen. Doch gelingt es Apple in aller Regel am besten, die neuesten Errungenschaften dann auch sinnvoll und massentauglich umzusetzen.

Für den Apple-Konzern, den am Börsenwert gemessen teuersten der Welt, wird nun entscheidend sein, wie sich das neue iPhone verkauft. Zu Anfang des Jahres mussten die Kalifornier erstmals einen Rückgang der Verkäufe vermelden - was schon ein Problem ist für ein Unternehmen, das zu großen Teilen von diesem einen Produkt abhängt. Nun wird sich zeigen, ob die Rückgänge darauf zurückgingen, dass viele Kunden lieber auf ein sichtbar erneuertes iPhone warten wollten. Oder aber, ob sich nicht doch allmählich ein Sättigungseffekt einstellt.

Die Apple Watch soll durch eine Sim-Karte unabhängiger vom Handy werden

Neben dem iPhone X zeigte Apple auch noch die Nachfolger der 7er-Baureihe. Sie heißen iPhone 8 und 8 plus (für das größere Modell). Sie setzen mit eher evolutionären Schritten die bisher gepflegte Tradition fort und werden günstiger zu haben sein als das X. Zu sehen gab es außerdem eine neue, äußerlich kaum veränderte Form von Apples Computer-Uhr, der Apple Watch. Das neue Modell enthält eine programmierbare Sim-Karte mit Datenzugriff und dem schnellen Funkstandard LTE, was sie unabhängiger von einem iPhone macht. Und ein Update gibt es schließlich für Apples Fernsehbox, die nun auch superhoch aufgelöste Videos abspielt.

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