Süddeutsche Zeitung

Apple:Apples Anti-Tracking-Funktion ist ein guter Anfang, mehr nicht

Der iPhone-Konzern gibt sich jetzt als Datenschützer - und die Datensammler schreien auf. Ist nun alles gut für die Nutzer? Leider nicht.

Kommentar von Helmut Martin-Jung

Es ist eine riesige Maschinerie, und sie läuft an, sobald jemand eine Internetseite aufruft, auf der es eine bestimmte Art von Werbeplätzen gibt. Diese Anzeigen sind nicht fest vergeben, wie es etwa in gedruckten Zeitungen oder Magazinen der Fall ist. Vielmehr sind es leere Anzeigenflächen, für die bei jedem Klick neu bestimmt wird, was darauf zu sehen sein wird und zu welchem Preis die Anzeige erscheint. Und das alles passiert vollautomatisiert in den wenigen Augenblicken, die vergehen, bis die Webseite vollständig geladen ist. Die Informationen darüber, wer welche Anzeigen zu sehen bekommt, werden zwischen allen ausgetauscht, die an diesem Prozess beteiligt sind.

Von dieser ziemlich beeindruckenden und technisch auch recht aufwendigen Show hinter den Kulissen ahnen die meisten Internetnutzer nichts. Was sie allerdings schon bemerken: Haben sie einmal nach einem Produkt, sagen wir einer Jazzgitarre oder einem Surfbrett, gesucht, scheint das Internet plötzlich voll von Jazzgitarren und Surfbrettern zu sein. Es zahlt sich eben aus, wenn Anzeigenkunden wissen, wer Surferin oder Gitarrist ist - und das wissen sie, weil viele Unternehmen im Netz genau solche Daten über die Nutzer sammeln.

Das Problem dabei ist, dass die Nutzer das oft zwar nicht wollen, aber keine - oder zumindest keine leicht verständliche und nutzbare - Möglichkeit haben, die Nutzung ihrer Daten zu verhindern. Bei vielen Apps und Diensten werden sie vor die Wahl gestellt: Daten preisgeben oder auf die Nutzung der App verzichten. Das führt dann zu der doch recht kuriosen Situation, dass etwa eine kostenlos angebotene Taschenrechner-App, die eigentlich überhaupt keine Internetverbindung bräuchte, mit Dutzenden Anzeigendienstleistern kommuniziert. Manche bezeichnen das als Überwachungskapitalismus.

Vor diesem Hintergrund ist es erst einmal eine gute Sache, was der iPhone-Hersteller Apple nun macht. Er verpflichtet alle App-Anbieter dazu, die ausdrückliche Erlaubnis der Nutzer einzuholen, wenn Daten an Dritte weitergegeben werden. Seit Montagabend steht die neue Version 14.5 des Mobilbetriebssystems iOS zum Herunterladen bereit, die das einführt. Apple will Nutzern damit helfen, dem sogenannten Tracking einen Riegel vorzuschieben. Der Methode also, die dafür sorgt, dass mit der Zeit Profile wie die der Surferin oder des Gitarristen entstehen, an die Werbetreibende dann möglichst gezielt Anzeigen ausspielen können.

Seit die Sache im vergangenen Sommer bekannt wurde, ist die Werbebranche in Aufruhr. Es hat dann zwar ein bisschen gedauert, bis die Ankündigung umgesetzt wurde, aber nun ist es so weit. Für Werbetreibende wird es nun ein Stück weit mühsamer, Datenprofile der Nutzer zu sammeln.

Aus der Welt ist das Problem aber noch lange nicht. Auch bei Apple gibt es eine ganze Reihe von Ausnahmen, zum Beispiel, wenn mit der Weitergabe von Daten die Kreditwürdigkeit geprüft werden soll - obwohl Kredit-Scoring-Firmen ja auch nicht gerade ein Ausbund an Transparenz sind.

Die Werbetreibenden haben längst andere Methoden des Trackings entwickelt

Zum anderen bittet man den App-Hersteller lediglich darum, das Tracking zu unterlassen. Die Verantwortlichen von Apples App-Store werden daher in nächster Zeit wohl viel Spaß damit haben, Beschwerden nachzugehen. Die spannendere Frage aber ist, welche Art von Sanktionen es geben wird. Werden auch beliebte Apps aus dem Store verbannt werden?

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Zudem haben die Werbetreibenden natürlich längst auch andere Methoden des Trackings entwickelt, zum Beispiel das Fingerprinting, bei dem aus den Daten des verwendeten Geräts eine individuelle ID erstellt wird. Das lässt sich technisch kaum verhindern, wie man auch bei Apple zugibt. Apples Risiko dabei ist überschaubar. Das eigene Werbegeschäft ist vernachlässigbar, der Imagegewinn durch die Aktion dagegen groß. Ein guter Anfang, mehr nicht.

Für die großen Anbieter wie Facebook ist die Sache eine Herausforderung, aber keine wirkliche Bedrohung. Sie sind potent genug, alternative Methoden zu entwickeln - laufen langfristig allerdings schon Gefahr, dass sich das Blatt gegen sie wendet. Dann, wenn die Bewegung, die unter anderem von Apple angestoßen wurde, an Fahrt aufnimmt und die Macht der Datensammler zunehmend hinterfragt wird.

Für einige kleine Anbieter, die nur von den verkauften Daten lebten, könnte es allerdings eng werden. Es ist wie im Goldrausch: Wenn die Goldader ausgebeutet ist, haben sie nichts mehr und müssen aufgeben. Das Geld aber scheffeln die, die Proviant, Schaufeln und Hacken verkauft haben, in diesem Falle die Facebooks und Googles. Im Wilden Westen also nichts Neues.

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