Apple:Das Leben nach dem iPhone

Apple 2nd quarter 2016 results

Apple ist mittlerweile vor allem eines: die iPhone-Firma.

(Foto: dpa)
  • Apple musste zum ersten Mal seit 13 Jahren einen Rückgang von Umsatz und Gewinn gegenüber dem Vorjahresquartal vermelden.
  • Wird es dem Konzern gelingen, auch in Zukunft "one more thing" zu präsentieren; ein Produkt, das die Kunden nicht brauchen, aber haben wollen?

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt in jeder handelsüblichen Heldengeschichte den Moment, in dem der in die Enge getriebene Liebling der Massen überraschend ein innovatives Produkt präsentiert, mit dem er aus der Todesfalle des Schurken entkommt und danach die ganze Welt rettet. Batman etwa zückt im dramaturgisch wertvollen Augenblick ein zuvor von Lucius Fox erfundenes Wunder-Wurfgeschoss aus seinem Gürtel. Er befreit sich damit und schleudert es dann den Bösewichtern entgegen.

Tim Cook wirkte am Dienstagnachmittag wie ein Held in Not. Die Bösewichter, das sind die Anleger, die nichts weniger erwarten als andauernd Rekorde bei Umsatz und Gewinn - die aufgebaute Falle ist das vierteljährliche Verkünden der Zahlen. Der Apple-Chef musste nun erstmals seit 13 Jahren einen Rückgang von Umsatz (um 13 Prozent auf 50,6 Milliarden Dollar) und Gewinn (um 22,5 Prozent auf 10,6 Milliarden Dollar) gegenüber dem Vorjahresquartal vermelden.

"Trotz der Pause in unserem Wachstum haben wir ein gutes Quartal hingelegt", sagte Cook im Gespräch mit Analysten: "Die Zukunft von Apple sieht rosig aus." Das klang ungefähr so, als würde Batman seinen Gegner mit einem Wattebausch bewerfen.

"Beim iPhone gibt es noch immer starkes Wachstumspotenzial"

Vor allem die Verkaufszahlen des iPhone bereiten den Anlegern derzeit Kopfschmerzen. In den ersten drei Monaten des Geschäftsjahres lieferte Apple insgesamt 51,2 Millionen Geräte aus. Das liegt knapp über den Wall-Street-Erwartungen, jedoch 16 Prozent unter den Verkäufen im Vorjahresquartal (61 Millionen). "Beim iPhone gibt es noch immer starkes Wachstumspotenzial", sagte Cook, der jedoch für das kommende Quartal erst einmal einen weiteren Rückgang prognostizierte: "Wir haben im März das iPhone SE eingeführt, die Zahlen für dieses Telefon sind noch nicht enthalten."

Natürlich ist Apple auch ein Gefangener des eigenen Erfolges. Wer jahrelang Rekorde vermeldet, der schockiert die Anleger freilich mit einem Rückgang - und der Ankündigung einer weiteren Enttäuschung. Im laufenden Quartal wird ein Umsatz zwischen 41 und 43 Milliarden Dollar erwartet; Experten hatten mit 43,7 Milliarden gerechnet. Im nachbörslichen Handel fiel der Aktienkurs des Unternehmens - der in diesem Jahr bereits um mehr als 20 Prozent gesunken ist - um mehr als sieben Prozent.

Gibt es ein Leben nach dem iPhone?

Cook ist der Nachfolger des 2011 verstorbenen Steve Jobs. Er ist, um im Superhelden-Vergleich zu bleiben, der Robin von Batman. Es gehörte zu den herausragenden Eigenschaften von Jobs, in dramaturgisch wertvollen Augenblicken mit einem "One More Thing" ein innovatives Produkt zu präsentieren, das die Kunden vielleicht nicht brauchten, aber unbedingt haben wollten: den iMac (1998), den iPod (2001), das iPhone (2007), das iPad (2010). Diese Präsentationen waren nichts weniger als ein Batsignal am Himmel - eine Botschaft an die Welt, dass es die Superhelden von Apple mal wieder geschafft hatten, die Menschen zu verblüffen.

Natürlich hat auch Cook bereits schöne Produkte verkünden dürfen (das iPad Air etwa, Apple Pay und die Apple Watch), doch lautet mittlerweile die Frage: Gibt es ein Leben nach dem iPhone, das noch immer für mehr als 60 Prozent der Umsätze verantwortlich ist? Natürlich wird das Unternehmen bald neue Modelle vorstellen wie etwa ein neues Telefon, eine ausgefeiltere Uhr, einen leistungsfähigeren Laptop. All diese Produkte wirken jedoch mit jedem Update ein bisschen weniger revolutionär, ein bisschen weniger heldenhaft. Wie die siebte Fortsetzung eines Superhelden-Films.

Kunden warten auf ein Produkt, das sie nicht brauchen, aber haben wollen

Wer heute ein Smartphone braucht, der bekommt technisch ähnlich ausgefeilte Produkte deutlich günstiger - noch immer ist das Telefon nicht wasserdicht, das Display nicht bruchsicher. Und um die Smartwatch entwickelte sich nicht der erhoffte Hype. Apple veröffentlicht bislang keine Verkaufszahlen, sondern versteckt die Umsätze mit der Uhr im Bereich "Andere Produkte", zu denen auch der iPod, Beats-Kopfhörer und Accessoires gehören. "Unsere Erwartungen wurden in diesem Quartal erfüllt", sagte Cook über die Uhr. Nun: Wer keine Erwartungen und keine Verkaufszahlen veröffentlicht, der kann so etwas natürlich behaupten.

Cook verwies auf das starke Wachstum im Service-Bereich und den damit verbundenen Wandel von einer Produkt-Firma zu einem Unternehmen, das auf Software und andere Angebote setzt. Er sagte auch: "Unsere Produktabteilung hat unglaubliche Innovationen in der Pipeline." Er wollte jedoch nicht verraten, welche das sind. Genau das hätte die Zuhörer interessiert, doch sie müssen sich wohl bis zur nächsten Präsentation gedulden. Kunden wie Anleger, sie warten auf dieses eine neue Produkt, das die Menschen vielleicht nicht brauchen, aber unbedingt haben wollen.

Tim Cook wirkte am Dienstag trotz der Zahlen nicht wie einer, der in einer aussichtslosen Falle sitzt. Das liegt vielleicht auch daran, dass Apple nach Abzug der Schulden immer noch über ein Barvermögen von 161 Milliarden Dollar verfügt. Das Unternehmen könnte damit die Firmen Uber, Yahoo, Netflix, Airbnb und Twitter kaufen - und hätte danach noch Geld übrig. Apple präsentiert sich derzeit nicht als Superheld mit revolutionärem Produkt, sondern als einer mit einem noch immer extrem sicherem Schutzschild.

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