Gesundheitssystem:Helft den Apotheken, die es nötig haben

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Man sollte nicht alle Apotheken gleich behandeln. Denn es gibt die, die guten Umsatz machen und die, die helfen, wenn man sie wirklich braucht. (Foto: dpa)

Die bestehenden Regeln machen viele Stadtapotheken zu Goldgruben, während andere es schwer haben. Die Politik sollte aufhören, alles nur über die Preise zu regeln.

Kommentar von Kristiana Ludwig

Es ist ein erbitterter Kampf, den die Lobbyorganisationen der Apotheker seit vielen Jahren führen. Sie wehren sich gegen ausländische Versandhandelsunternehmen, die den Menschen ihre Medikamente per Post schicken. Wenn immer mehr Bürger ihre Tabletten im Internet bestellen, dann bräche die Apothekenlandschaft zusammen, so lautet ihre Befürchtung. Tatsächlich ist das Bild, das die Apotheker hier malen, kein gutes: Arzneimittelriesen übernehmen den Markt, locken die Kundschaft mit Billigmedikamenten - und gewissenhafte Dorfapotheker können dem Druck nicht standhalten und müssen schließen. Ganze Landstriche stehen plötzlich ohne Medizin da - ein Horrorszenario. Doch ganz so einfach ist es nicht.

Apotheker genießen heute, im Vergleich zu Drogerien oder Lebensmittelhändlern, ein Privileg. Verschreibungspflichtige Medikamente haben bundesweit feste Preise. Apotheken stehen hier also nicht im Wettbewerb miteinander. Versandhändler aus dem Ausland brechen dieses Prinzip gerade auf, indem sie den Kunden für jedes eingelöste Rezept einen Bonus auszahlen. Internetapotheken wirken auch deshalb so bedrohlich auf die traditionelle Apothekerschaft, weil sie deren Prinzip der gleichen Preise unterlaufen.

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Doch so sehr die Pharmazeuten ihre starre Preispolitik loben, als unverzichtbaren Dienst am deutschen Gesundheitswesen, so gerne schweigen sie auch über deren Nachteile. Gleiche Preise schützen kleine Apotheken zwar zu einem gewissen Anteil vor der Konkurrenz - aber sie machen auch die großen Pharmazeuten immer reicher.

In den Innenstädten verdienen Apotheken heute nämlich zum Teil hervorragend. Sie können sich hier Ladenlokale in Traumlagen leisten. Wer einmal seinen Sitz in einem Ärztehaus hat, braucht sich um Kundschaft keine Sorgen mehr zu machen. Feste Medikamentenpreise ohne Rabatte machen solche Stadtapotheken zu Goldgruben.

Ihnen gegenüber stehen kleine Apotheken am Stadtrand. In diesen Gebieten wohnen zwar viele Menschen. Die pendeln aber oft jeden Tag in ihre Büros im Stadtkern - und lösen dort, nach Feierabend, dann auch ihre Rezepte ein. Dass eine Apotheke in der Nähe der eigenen Wohnung wichtig ist, spüren viele von ihnen erst, wenn sie in Not geraten: Wenn das Kind nachts dringend ein Zäpfchen braucht oder wenn die Kopfschmerzen nicht mehr auszuhalten sind. Dann wünschen sich auch die Stadtrandbewohner eine Apotheke um die Ecke.

Den Pharmazeuten, die in solchen Orten ihr Geschäft betreiben, geht es schon heute nicht besonders gut - trotz der festen Preise. Und wenn sie verschwinden, dann ist hier tatsächlich ein wichtiges Element aus der Gesundheitsversorgung gebrochen. Doch eine Politik, die das Geld der Krankenkassen wie mit der Gießkanne gleichmäßig auf alle Apotheken verteilt - unabhängig von ihrer Lage oder wirtschaftlichen Situation -, hilft nicht, dieses Problem dauerhaft zu beheben.

Statt weiterhin einen sanften Wettbewerb um Arzneimittelpreise zu verhindern, sollten Politiker deshalb lieber über ein Modell nachdenken, wie sie Apotheken in schwierigen Lagen gezielt unterstützen können. Dafür sollte man sich davon lösen, alle Dinge, die Apotheken betreffen, immer nur über die Preise regeln zu wollen. Besser wäre, wenn Pharmazeuten, die sich am Stadtrand niederlassen, dafür auch besonders vergütet werden. So, dass es sich für sie lohnt, die Patienten hier gut zu beraten und nachts bereitzustehen - auch wenn sie vielleicht nur wenige Packungen verkaufen.

Das Geld liegt bei denen, die es nicht brauchen

Die Patienten würden so doppelt profitieren: Weil sie sich einerseits auf ihre Apotheke vor Ort verlassen können und auch, weil sie Geld sparen, wenn ihnen Versandhändler oder zentrale, gut laufende Apotheken Rabatte gewähren. So könnten Pharmazeuten beispielsweise Kundschaft gewinnen, indem sie einen Teil der Zuzahlungen, die Patienten sonst auf Medikamente leisten müssen, aus ihrer eigenen Kasse begleichen. Diese Kosten sind schließlich für viele kranke Menschen mit geringem Einkommen eine Zumutung.

Um eine gute Versorgung aller Menschen mit Medikamenten zu sichern, braucht es also ein kluges, neues Preissystem. Die Politik muss aber zugleich bereit sein, genau den Apothekern unter die Arme zu greifen, die ländliche Gegenden lebenswert machen. Der Markt allein wird das nicht übernehmen. Die gute Nachricht: Das Geld für solche Finanzspritzen ist zum Teil schon vorhanden. Es liegt bloß heute bei den Apothekern, die am reichsten sind. Und am lautesten.

© SZ vom 24.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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