Antwort an Brüssel:Zur Freude der Apotheker

Gesundheitsminister Spahn findet einen rechtlichen Trick, um die festen Medikamentenpreise nicht lockern zu müssen.

Von Kristiana Ludwig, Berlin

Es ist gerade einmal zwei Wochen her, dass die Europäische Kommission einen bösen Brief an den Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) schickte. Gegen Deutschland laufe ein Vertragsverletzungsverfahren, stand darin. Die Bundesregierung müsse endlich ihr Apothekengesetz ändern, und zwar "binnen zwei Monaten nach Eingang dieses Schreibens". Grund für den Ärger sind die festen Medikamentenpreise in Deutschland. Sie gelten nicht nur für die hier ansässigen Apotheker, sondern auch für ausländische Medikamentenhändler wie DocMorris, die ihre Pillen per Post an deutsche Kunden schicken. Diese Regelung sei unfair gegenüber den Versandhändlern, urteilte der Europäische Gerichtshof. Für sie müsse sich das deutsche Gesetz ändern.

Doch statt der Order aus Brüssel nachzukommen und die festen Preise zu lockern, hat Spahn jetzt Eckpunkte vorgelegt, in denen er das genaue Gegenteil vorschlägt. Die "Regelungen zu einheitlichen Apothekenabgabepreisen bleiben erhalten", lautet der erste Satz darin. Spahn hat sich stattdessen einen rechtlichen Trick überlegt, um die EU-Kommission ruhig zu stellen. Er will den umstrittenen Paragrafen, welcher die Versandhändler in die Schranken weist, nun zwar erst einmal streichen. Doch gleichzeitig möchte er denselben Passus wieder in ein anderes Gesetz aufnehmen: in das Sozialgesetzbuch.

Auf diese Weise, so sein Kalkül, könnte die Bundesregierung bei einem erneuten Gerichtsverfahren noch einmal anders argumentieren. Dann könnte sie darauf verweisen, dass es sich bei dem Rabattverbot für Ausländer jetzt eben um das deutsche Gesundheitssystem handle - und hier hat die EU weniger Mitspracherechte als beim freien Markt.

Mit seinen Eckpunkten verwirft Spahn außerdem seinen eigenen Vorschlag, den er noch im Dezember den Apothekern und der Öffentlichkeit vorgestellt hatte. Damals hatte er noch angeboten, dass die ausländischen Versandhändler für jedes verschreibungspflichtige Medikament einen Bonus von bis zu 2,50 Euro vergeben dürften.

Die Apothekerlobby freut sich über den neuen, harten Kurs des Ministers. Schließlich hatte sie den Kniff mit dem Sozialgesetzbuch zuletzt selbst vorgeschlagen. Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes, Fritz Becker, sagt: "Das Eckpunktepapier greift in vielen Punkten unsere Forderungen auf. Ich bin froh, dass der Erhalt einheitlicher Abgabepreise für verschreibungspflichtige Arzneimittel jetzt auch vom Bundesgesundheitsministerium als klares Ziel definiert ist".

Allerdings müssen die heimischen Apotheker nun auch wieder auf ein Zugeständnis verzichten. Im Dezember hatte Spahn ihnen noch insgesamt 375 Millionen Euro Krankenkassengeld in Aussicht gestellt. Damit hätten sie ihre Bilanzen mit Notdiensten und Dienstleistungen für die Patienten aufbessern können. Im neuen Vorschlag ist diese Summe nun deutlich geringer. Insgesamt, so hat es die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände ausgerechnet, sollen jetzt nur noch gut 150 Millionen Euro zur Verfügung stehen.

Für die grüne Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche ist Spahns Umschwung ein Rückschritt. Man drehe sich "nur weiter im Kreis, anstatt versorgungsrelevante Apotheken die heute und jetzt in finanziellen Schwierigkeiten stecken, endlich gezielt zu unterstützen", sagt sie: "Die Dreistigkeit, mit der die Union offenbar europäisches Recht und höchstrichterliche Entscheidungen ignorieren will, ist frappierend." Im Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD auf einen noch radikaleren Widerstand gegen die EU geeinigt, mit einem Versandhandelsverbot. Immerhin das ist vom Tisch.

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