Nahaufnahme:Unbequemer Tierarzt

Nahaufnahme: "In der industriellen Tierhaltung ist jegliche Empathie für die sogenannten Nutztiere verloren gegangen", sagt Rupert Ebner.

"In der industriellen Tierhaltung ist jegliche Empathie für die sogenannten Nutztiere verloren gegangen", sagt Rupert Ebner.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Rupert Ebner kämpft seit zehn Jahren gegen den Einsatz von Antibiotika in Ställen.

Von Silvia Liebrich

Einfach nur Tierarzt sein, das hat Rupert Ebner noch nie gereicht. Der 67-Jährige gehört zu den Umtriebigen, die gern links und rechts des Weges schauen, ob auch alles passt. Allzu oft hat es da in der Vergangenheit für ihn nicht gepasst - für ihn Anlass genug, sich einzumischen. Einen Tabubruch beging er vor zehn Jahren, als er öffentlich den Missbrauch von Antibiotika in der Tierhaltung anprangerte und dabei auch nicht mit Kritik an Veterinären sparte. Viele seiner Kollegen haben ihm das bis heute nicht verziehen.

Ebner gehört zu jenen, die eine Debatte ins Rollen brachten, die bis heute die Gemüter erhitzt: der Einsatz von Antibiotika in Tierställen im großen Stil. Vor gut einem Jahrzehnt reichte es ihm. An einem sonnigen Vormittag tauchte er mit einem Stapel Akten bei der Süddeutschen Zeitung in München auf, mit Unterlagen, die zeigen sollten, wie eng und unheilvoll die Verflechtungen zwischen Tierhaltern, Pharmaindustrie, Veterinären und ihren Berufsverbänden seiner Ansicht nach waren. Auch bei anderen Medien wurde er vorstellig, suchte sich Mitstreiter und streckte die Fühler in die Politik aus.

Zufrieden ist der Tierarzt mit dem Erreichten noch nicht

Seitdem ist einiges in Bewegung geraten, auch auf politischer Ebene. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Einsatz der Medikamente in Tierställen deutlich zu senken. Seit einigen Jahren muss deren Abgabe gemeldet und in einer Datenbank erfasst werden. Der Druck auf die Halter, den Verbrauch zu reduzieren, wächst. Zahlen der vergangenen zwei Jahre zeigen erstmals einen Rückgang. Umstritten ist der Einsatz der Medikamente in Ställen, weil so immer mehr Keime resistent werden. Antibiotika, die oft auch für Menschen die letzte Rettung sein können, werden wirkungslos.

Zufrieden ist Ebner, der als Tierarzt in eine Ingolstädter Gemeinschaftspraxis arbeitet, mit dem Erreichten längst nicht. "Es hätte mehr passieren können und müssen", sagt er. "Zumindest aber ist das Thema in der breiten Öffentlichkeit angekommen, die Politik scheint zu reagieren. Bis zur Lösung des Problems ist es allerdings noch ein weiter Weg." So sei etwa der Einsatz in der Geflügelhaltung immer noch viel zu hoch. Zusammen mit der Literaturwissenschaftlerin Eva Rosenkranz hat er nun das Buch "Pillen vor die Säue" (Oekom-Verlag) geschrieben, eine Abrechnung mit der Fleischindustrie und einer ignoranten Agrarpolitik.

Ebner ist es wichtig, dass sich etwas bewegt. Seit 2009 ist er Mitglied bei den Grünen, zuvor war er lange bei der CSU. Er ist Schatzmeister von Slow Food Deutschland und bei der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft aktiv. Nicht überall ist sein Engagement willkommen. Er macht es seinem Umfeld nie leicht, er fordert, lässt nicht nach, ist so manchem zu unbequem. Sechs Jahre, bis 2008, war er Vizepräsident der Bayerischen Landestierärztekammer, doch seine Kampfansage gegen Antibiotika stieß dort auf keine Gegenliebe.

Danach ging er in die Kommunalpolitik, war Stadtrat für Gesundheit, Klimaschutz und Umwelt in Ingolstadt. Einen Posten, den der neue Bürgermeister 2020 strich, um ihn loszuwerden, wie Ebner vermutet. "Natürlich bin ich enttäuscht, aber ein Grund zum Aufgeben ist das für mich nicht. Ich werde mich weiterhin engagieren, wenn ich das für richtig und wichtig halte", sagt er.

In Sachen Antibiotika gibt es aus seiner Sicht noch viel zu tun. "In der industriellen Tierhaltung ist jegliche Empathie für die sogenannten Nutztiere verloren gegangen", findet er. Das muss sich seiner Ansicht nach ändern - und er hat viele Ideen, wie das gelingen könnte.

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