Antibiotika in der Viehhaltung:Milch von gedopten Kühen

Milchkühe im Stall

Glückliche Kühe auf grünen Weiden - die Realität in den Kuhställen sieht längst anders aus.

(Foto: dpa)

Hochleistungs-Milchkühe müssen heutzutage bis zu 50 Liter Milch am Tag geben, das macht sie anfällig für Infektionskrankheiten. Der Einsatz von Antibiotika wird wohl weiter zunehmen - auch wenn die Langzeitwirkungen für Tier, Mensch und Umwelt unüberschaubar sind.

Von Silvia Liebrich

Der massive Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung wird vermutlich weiter zunehmen. In der Geflügel- und Schweinemast ist der Verbrauch schon seit Jahren hoch, trotz heftiger Kritik. Geht es nach der Pharmaindustrie, dann sollen umstrittene Antibiotika künftig auch in großem Stil an Milchkühe verfüttert werden, nicht etwa weil sie krank sind, sondern damit sie noch mehr Milch geben. Solche leistungsfördernden Mittel sind eigentlich in der Tierhaltung verboten. Trotzdem lassen europäische und deutsche Behörden immer wieder solche Medikamente zu.

Jüngstes Beispiel ist das seit Jahresbeginn in Deutschland erlaubte Mittel Kexxtone der Firma Eli Lilly. Es enthält unter anderem das Antibiotikum Monensin, das bereits im Jahr 2006 als Futterzusatz verboten wurde. Das Mittel soll helfen, den Energiehaushalt der Tiere zu regulieren, damit sie noch mehr Milch geben.

Doch gegen das Mittel regt sich Protest. Tierärzte und Wissenschaftler zeigen sich skeptisch. "Man kann nicht ganz ausschließen, dass das Mittel missbraucht und flächendeckend zu Einsatz kommen wird", sagt Professor Holger Martens, der langjährige Vorsitzende der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft. Dass solche Medikamente überhaupt auf den Markt kommen, wertet er als Zeichen, "dass in der Landwirtschaft und der Viehhaltung Produktionsbedingungen herrschen, die wir alle nicht wollen".

"Tierärzte sollen züchterische Fehlentwicklungen mit Arzneimitteln korrigieren"

Während die Werbung noch immer das Bild von glücklichen Kühen auf grünen Weiden verbreitet, sieht die Realität in den Kuhställen längst anders aus. Die Zeiten, in denen eine Kuh zehn Liter Milch am Tag gab, sind längst vorbei. Hochleistungskühe kommen heute auf 50 Liter Milch am Tag. Das ist Ergebnis einer jahrzehntelangen Zucht, bei der allein die Milchleistung, aber nicht die Gesundheit der Tiere im Vordergrund steht. Die Folge: Kühen werden krank, weil sie immer mehr Milch produzieren. Sie leiden unter anderem an Euter-, Uterus- und Klauenentzündungen.

Medikamente wie Kexxtone sollen dafür sorgen, dass die Tiere gesund bleiben. Tierarzt Rupert Ebner findet das absurd. "Wir Tierärzte sollen züchterische Fehlentwicklungen mit Arzneimitteln korrigieren." Er hält es für unverantwortlich, ein Medikament vorbeugend und ohne Diagnose zu verabreichen. Nicht alle Veterinäre denken so. Sie stehen unter großem ökonomischem Druck, einen großen Teil ihres Einkommens beziehen sie durch das Verschreiben von Medikamenten. Bekommt ein Viehhalter nicht die gewünschten Mittel von seinem Tierarzt, wechselt er zum nächsten.

Die Langzeitwirkungen von Antibiotika in der Tierhaltung sind unüberschaubar. Zwar hinterlässt das Medikament Kexxtone nicht mehr als die gesetzlich erlaubten Rückstände in der Milch. Spuren des Mittels können sich auch im Fleisch der Tiere anreichern. Einen Teil davon scheiden die Kühe zudem wieder aus, und das belastet die Umwelt und den Wasserkreislauf.

Für den Veterinär Ebner bleibt die große Frage, warum Kexxtone überhaupt eine Zulassung bekommen hat. Beim Bundeslandwirtschaftsministerium in Berlin heißt es dazu, das Mittel sei nach gründlicher Prüfung von der EU genehmigt worden, dürfe aber nicht zur Wachstumsförderung eingesetzt werden. Bei Hinweisen auf Missbrauch seien die Länderbehörden gefragt.

Der Hersteller Eli Lilly verweist in einer Stellungnahme darauf, dass das Produkt verschreibungspflichtig und für den Landwirt nur über einen Tierarzt erhältlich sei. Zu den Absatzzahlen wollte das Unternehmen keine konkreten Angaben machen. "Das Interesse von Landwirten und somit die Nachfrage von Tierärzten entspricht dem bei neuen therapeutischen Produkten üblichen Maß", heißt es dazu in dem Schreiben.

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