Ant Group:Größter Börsengang der Welt abgesagt

Ant Group: Unzufriedene Ameise: Eine Werbefigur der Ant Group in deren Hongkonger Zentrale.

Unzufriedene Ameise: Eine Werbefigur der Ant Group in deren Hongkonger Zentrale.

(Foto: Kin Cheung/AP)

Zwei Tage vor dem geplanten Handelsstart des Alibaba-Ablegers Ant Group haben die chinesischen Behörden das Debüt platzen lassen. Hat Firmengründer Jack Ma es mit seiner Kritik am chinesischen Bankensystem überzogen?

Von Christoph Giesen, Peking

Es sollte der größte Börsengang der Welt werden und gut 37 Milliarden Dollar einspielen. Mehrfach überzeichnet war die Aktie der Ant Group, dem Finanzarm des chinesischen Onlinehändlers Alibaba. Und nun, zwei Tage vor dem Debüt in Hongkong und Shanghai ist auf einmal alles vorbei, bevor es überhaupt angefangen hat.

Am späten Dienstagabend verschickte die Börse in Shanghai eine nüchterne Mitteilung: Das Unternehmen erfülle wegen veränderter Regularien die Offenlegungspflichten nicht. Es wurden ein paar Paragrafen erwähnt, aber keine weiteren Details. Wenig später dann veröffentlichte Ant eine Stellungnahme - ähnlich knapp gehalten: Die zuständigen chinesischen Finanzaufsichtsbehörden hätten den Börsengang in Shanghai suspendiert, infolgedessen habe sich das Unternehmen entschieden, auch keine Aktien in Hongkong auszugeben. Eine spektakuläre Bruchlandung in allerletzter Minute.

Dass etwas nicht stimmte, hatte sich am Montagabend angedeutet. Weit nach Börsenschluss verschickte die chinesische Zentralbank gemeinsam mit drei weiteren Finanzaufsichtsbehörden eine Nachricht, in der sie bekannt gab, dass Alibaba-Gründer Jack Ma sowie zwei Ant-Führungskräfte einbestellt worden seien, um Fragen zu beantworten. Es gehe um "regulatorische Interviews", hieß es in der Stellungnahme. Dabei hatte die Shanghaier Börse erst vor ein paar Wochen den Börsengang genehmigt.

Woher kommt der plötzliche Sinneswandel? War man in Peking etwa verärgert über Jack Ma? Der heute reichste Mann Chinas hat 1999 das Alibaba-Imperium gegründet, 2004 kam der Bezahldienst Alipay hinzu, aus dem später die Ant Group hervorgegangen ist.

Auf einer Finanzkonferenz in Shanghai am 24. Oktober hatte Ma Chinas große staatliche Banken ungewöhnlich scharf kritisiert: "Noch heute arbeiten Banken mit einer Pfandhausmentalität, benötigen Sicherheiten und Garantien, sind wie Pfandhäuser", sagte Ma und umschrieb damit eigentlich ziemlich präzise, warum die Ant Group so erfolgreich in China ist.

Ant vergibt in China 15 Prozent aller Konsumentenkredite

Während die chinesischen Staatsbanken träge wie Behörden agieren und vor allem die maroden Staatskonzerne mit Krediten versorgen, ist Ant binnen weniger Jahre zum größten Zahlungsabwickler in der Volksrepublik aufgestiegen. Praktisch überall kann man mit dem Dienst Alipay bezahlen. Ant ist zudem der wichtigste Vertriebskanal für Finanzprodukte in China und vergibt Konsumentenkredite, die man im Nu auf dem Smartphone buchen kann. Auch für kleine und mittelständische Unternehmen vermittelt Ant Darlehen. Das ist attraktiv für all jene Geschäftsleute, die von den Staatsbanken kein Geld bekommen. Via Ant werden inzwischen fünf Prozent aller Kredite für den Mittelstand vergeben. Bei den Konsumentenkrediten liegt der Marktanteil sogar bei 15 Prozent.

Ebenfalls bei der Konferenz in Shanghai war Wang Qishan aufgetreten, Chinas Vizepräsident und einer der mächtigsten Männer des Landes. "Es sollte ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Förderung von Finanzinnovationen, der Belebung des Marktes, der Öffnung des Finanzsektors und dem Aufbau von Regulierungskapazitäten bestehen", sagte Wang. "Sicherheit steht immer an erster Stelle."

Inzwischen hat die chinesische Banken- und Versicherungsaufsichtsbehörde gemeinsam mit der Zentralbank einen Entwurf für eine Verordnung für Online-Kredite vorgelegt. Die Vorschriften sehen vor, dass Darlehen entweder auf 300 000 Yuan (gut 38 000 Euro) begrenzt sind oder höchstens ein Drittel des Jahresgehalts eines Kreditnehmers betragen dürfen. Ant muss wohl erst einmal das Geschäftsmodell nachbessern. Das letzte Wort in China hat immer die Kommunistische Partei.

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