Anschleichen an Unternehmen:Durch die Hintertür

Überraschend aus dem Hinterhalt: Vor Angreifern, die sich über verdeckte Aktienkäufe an Unternehmen anschleichen, gibt es immer noch keinen Schutz.

Nina Jauker

Nun gibt es auch noch Gerüchte um Arques. Die Beteiligungsgesellschaft könnte der nächste deutsche Übernahmekandidat nach der "Methode Schaeffler" werden. Offenbar bereitet der Münchner Konkurrent Aurelius den Einstieg bei dem Starnberger Unternehmen vor - über den verdeckten Kauf von Aktien.

Anschleichen an Unternehmen: Überraschende Einstiege wird es auf dem deutschen Markt wohl weiterhin geben: Die Regierung will die Meldepflichten für Aktienaufkäufe nicht noch weiter verschärfen.

Überraschende Einstiege wird es auf dem deutschen Markt wohl weiterhin geben: Die Regierung will die Meldepflichten für Aktienaufkäufe nicht noch weiter verschärfen.

(Foto: Foto: Reuters)

Die "Methode Schaeffler" macht Schule

Der heimliche Einstieg des Mittelständlers Schaeffler beim Dax-Konzern Continental könnte Schule machen, hatte Axel Gollnick, geschäftsführender Partner des Übernahmeberaters M&A International, am Wochenende im Handelsblatt gewarnt. Prompt musste sich wenige Tage später Arques gegen Aurelius und der deutsche Finanzdienstleister MLP gegen den Schweizer Konzern Swiss Life wehren.

Das juristische Schlupfloch Swap

Die "Methode Schaeffler" funktioniert über Kurssicherungsgeschäfte. Über diese sogenannten Swaps sichert sich ein Interessent für einen zukünftigen Kauf einen bestimmten Kaufpreis für ein Wertpapier. Die juristischen Feinheiten der Swap-Geschäfte ermöglichten es Schaeffler, die im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) festgelegten Meldeschwellen zu vermeiden.

Hedgefonds und Pensionskassen

"Der Markt ist mittlerweile so transparent geworden, dass - sobald ein Konkurrent wie Schaeffler eine Beteiligung von nur drei Prozent an Conti öffentlich macht - sofort die Spekulanten da sind - vom Hedgefonds bis zu den Pensionskassen für Beamte", sagt Dirk Besse, Partner bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Hogan & Hartson Raue. "Dann explodiert der Kurs und das führt im Zweifelsfall dazu, dass der Kurs eben nicht mehr die Realität abbildet, sondern ein Konstrukt aus Hoffnungen und Spekulationen." Allein die Gerüchte über einen Einstieg von Aurelius ließen die schwer gebeutelte Arques-Aktie zeitweise um mehr als zwölf Prozent in die Höhe schießen.

Um unentdeckt zu bleiben und damit solche Kursexplosionen durch Spekulanten zu vermeiden, schloss Schaeffler Swap-Geschäfte mit Banken ab. Swaps kann man auf zwei Arten ausgestalten. Beim cash-settled-swap erhält der Interessent beim späteren Kauf der Aktien den Differenzbetrag zwischen dem vereinbarten Preis und dem möglicherweise gestiegenen Kurs von der Bank zurückerstattet. Beim physically-settled-swap werden die Aktien wirklich übereignet.

Tricks für eine günstige Übernahme

Schaeffler schloss bewusst cash-settled-swaps ab - denn damit sicherte sich die Gruppe nicht die Aktien, sondern lediglich die Garantie, dass sie bis zu 36 Prozent der Anteile zu einem gewissen Preis erwerben konnten. So kann der Angreifer größere Positionen an einem börsennotierten Unternehmen aufbauen, ohne dass der Markt es sofort mitbekommt - und dieser Weg wird Firmen auch weiterhin offen stehen.

Deshalb macht sich zunehmend Sorge breit. Denn die Aktienkurse vieler deutscher Unternehmen liegen darnieder und machen die Firmen zu Übernahmekandidaten. "Anschleichen ist nicht in Ordnung", sagt deshalb Henning Gebhardt, leitender Fondsmanager bei Deutschlands Branchenprimus DWS. Er fordert: "Swaps und Optionen müssen meldepflichtig sein."

Auf der nächsten Seite: Porsche hat es beim Einstieg bei VW vorgemacht, die Schaeffler-Juristen machten es nach.

Durch die Hintertür

Gute alte Zeit ohne Meldeschwellen

In vielen anderen Ländern, wie etwa in Großbritannien oder den USA, sind Swap-Geschäfte mit Banken meldepflichtig. Der deutsche Markt kennt das Phänomen der heimlichen Aufkäufe noch nicht lange, sagt Anwalt Besse. Das WpHG und insbesondere die Drei-Prozent-Meldeschwelle sind noch nicht alt. Und ohne Meldeschwellen konnte ein Interessent unentdeckt Positionen aufbauen.

"Im Fall VW hat man erstmals gesehen, dass diese Methode ein sehr interessantes Instrument ist, um die Kosten für eine Übernahme im Rahmen zu halten", sagt Besse. Nicht umsonst beriefen sich die Anwälte der Schaeffler-Gruppe auf den Porsche-Finanzvorstand, als ihnen unsaubere Methoden vorgeworfen wurden: "Das haben wir bei Herrn Härter so gelernt."

Die Kleinaktionäre schauen in die Röhre

Angesichts des Vorgehens von Schaeffler könnte man zu dem Schluss kommen: Die Kleinaktionäre erleiden Nachteile. Denn der Preis wird künstlich niedrig gehalten für die Übernahme und die Aktionäre partizipieren nicht an einer Wertsteigerung. "Doch dieses Argument kann man auch umdrehen", sagt Besse. Schließt der Staat per Gesetz die Hintertür, würden die Kleinaktionäre beteiligt - allerdings an Spekulationsgewinnen. "Und es stellt sich berechtigterweise die Frage, ob es sinnvoll ist, Spekulation zu fördern."

Nachteil für strategische Investoren

Verschärfungen von Kapitalmarktregeln könnten außerdem gerade diejenigen Investoren verschrecken, die eigentlich gern gesehen seien, fügt Besse hinzu - nämlich strategisch handelnde Investoren, die selbst in dem Geschäftsbereich tätig sind. Einen reinen Finanzinvestor würde man damit kaum fernhalten. "Wenn beispielsweise der Investor Lone Star, der die IKB übernommen hat, eine Beteiligung bei Continental aufgebaut hätte, wären dadurch eventuell weniger Spekulationen ausgelöst worden als bei einem strategischen Investor wie Schaeffler. Und das ist unfair, weil es strategische Investoren benachteiligen kann."

Die Regierung will abwarten

Das Schlupfloch zu schließen ist möglich. "Man könnte bei den Meldeschwellen Finanzinstrumente wie die cash-settled-swaps berücksichtigen", sagt Besse. Doch ob die Regierung direkt nach dem Risikobegrenzungsgesetz noch einmal nachlegen wird, ist fraglich. Durch dieses neue Gesetz werden neben direkt gehaltenen Aktien auch Finanzinstrumente wie physically-settled-swaps und Optionen zum Meldebestand gerechnet - allerdings nicht das Instrument des cash-settled-swap.

Weiterhin offene Hintertüren

Die Bundesregierung antwortet jedenfalls ablehnend auf die Anfrage der Grünen: "Das Risikobegrenzungsgesetz sieht ... keine Erweiterung der Mitteilungspflichten in Bezug auf den Umfang der ... erfassten Finanzinstrumente vor." Den Fall MLP, der über Optionen abgewickelt wurde, hätte das Gesetz also verhindert, deshalb hatte AWD-Eigner Maschmeyer es auch eilig mit seinem Deal. Doch Fälle wie Conti, die über cash-settled-swaps laufen, sind weiterhin möglich. Und daran wird sich in nächster Zeit wohl auch nichts ändern: Die deutschen Hintertüren bleiben weiterhin sperrangelweit geöffnet.

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