Süddeutsche Zeitung

Anleihen:Grenzen testen

Italiens neue Regierung fordert mit dem defizitären Staatshaushalt die Europäische Kommission und den Kapitalmarkt heraus. Zwei Ratingagenturen überprüfen die Bonität des größten europäischen Schuldners bis Ende des Monats.

Von Simone Boehringer

Mehr Ausgaben als erwartet und damit höhere Zinsen - die neue italienische Regierung spielt mit dem Feuer: Da der Staatshaushalt für 2019 eine deutlich höhere Neuverschuldung vorsieht als die Vorgängerregierung geplant hatte, sind die Renditen auf Italiens Schuldentitel erst mal deutlich nach oben geschnellt. Zwischenzeitlich musste Rom am Kapitalmarkt drei Prozentpunkte mehr für lang laufende Kredite bezahlen als die Bundesrepublik. Italien ist bereits der größte Schuldner der Eurozone, überschreitet mit einer Gesamtschuld von 130 Prozent der Wirtschaftsleistung die erlaubte Obergrenze für Euro-Staaten von 60 Prozent bei Weitem und - Italien kann dieses hohe Kreditniveau nicht abbauen. Allein die am Kapitalmarkt ausstehenden Anleihen des Landes belaufen sich auf 1,8 Billionen Euro.

Ein paar Milliarden davon laufen alle paar Wochen aus und müssen durch neue Papiere ersetzt werden. Gerade war dies so, und Ende des Monats wird Italien wieder Papiere im Volumen von etwa zehn Milliarden Euro an die Anleger bringen wollen, schätzen Experten. Ob die Renditen etwa für zehnjährige Schuldscheine dann immer noch bei knapp 3,5 Prozent liegen werden oder gar noch höher, entscheidet sich in den nächsten zwei Wochen. Zwei Wochen, in denen die neue Regierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega ihren fordernden Ton besser mäßigen sollte. "Bloß nicht weiter zündeln", heißt es am Markt.

Die Gründe: Zum einen prüft die EU-Kommission gerade den italienischen Haushalt und wird wahrscheinlich ohnehin noch Nachbesserungen verlangen. Zum anderen haben die beiden großen Ratingagenturen Standard & Poor's und Moody's angekündigt, bis Ende Oktober ihre Bewertung der Kreditwürdigkeit Italiens zu überdenken. Und die Bonitätsnote Roms ist ohnehin nicht gut: "Bei beiden Agenturen steht das Land mit der Bewertung BBB und Baa2 nur zwei Stufen vor dem Abstieg in die Kategorie der spekulativen Anleihen", warnt Elmar Völker, Analyst der Landesbank Baden-Württemberg. Solche Papiere würden zwar Anlegern - zu denen auch viele italienische Banken gehören - deutlich höhere Zinsen bringen. Einige Investoren griffen am Dienstag auch zu, der Kurs italienischer Bonds zog an.

Aber Roms Finanzminister Giovanni Tria müsste die höheren Zinsen dann womöglich lange bezahlen. Banken bevorzugen nämlich fürs Portfolio Anleihen mit investiver Bewertung, also mit Ratings von BBB- und höher, denn nur diese können sie bei der Europäischen Zentralbank als Sicherheit für neue Liquidität hinterlegen.

Italiens Regierung muss also bei allem Populismus gegenüber den Wählern zuhause auch großes Interesse daran haben, seinen Status am Kapitalmarkt in den nächsten Tagen nicht weiter zu gefährden.

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Quelle:
SZ vom 17.10.2018
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