Süddeutsche Zeitung

Anleger wurden manipuliert:Großrazzia bei Börsenbetrügern

In München läuft bereits ein Großprozess gegen Börsenbetrüger, die Nachrichten manipuliert haben sollen, um damit Aktienpreise in die Höhe zu treiben. Nun ermittelt die Justiz gegen ein zweites Netzwerk möglicher Abzocker. Sie sollen auch den Namen eines Spitzenfußballers für ihre Geschäfte missbraucht haben.

Klaus Ott

Luís Filipe Madeira Caeiro Figo war Fußballer des Jahres in seiner Heimat Portugal, in Europa und auf der ganzen Welt. Er kickte für den FC Barcelona, Real Madrid und Inter Mailand; er gewann fast alles, was es zu gewinnen gab. Titel in Portugal, Spanien und Italien, dazu die Champions League. Als Nationalspieler gehörte er bei Weltmeisterschaften zu den Stars. Nach seiner Karriere als Kicker wurde er ein erfolgreicher Geschäftsmann - und gilt als Vorbild, auch außerhalb von Sport und Wirtschaft.

Wollte Figo bei einer Aktiengesellschaft einsteigen, wäre das ein tolles Signal für Kapitalanleger. Darauf hat wohl ein an der Frankfurter Börse notiertes Unternehmen aus Westafrika gehofft, als es vor zwei Jahren bekanntgab, man habe Luís Figo als Investor und strategischen Partner gewonnen.

Die Nachricht machte sogleich die Runde und verhalf der Minen-Gesellschaft zu steigendem Ansehen. Das war Teil einer Werbekampagne für den Kauf von Aktien dieser Firma. Doch die Meldung war nach Erkenntnissen der Münchner Staatsanwaltschaft schlichtweg falsch. Dubiose Geschäftsleute sollen den guten Namen von Figo missbraucht haben.

So steht es in den Ermittlungsunterlagen für ein neues großes Verfahren wegen Betrug an der Börse, das diese Woche zu einer Razzia im In- und Ausland führte. Mehr als 200 Polizisten, zehn Fahnder der Finanzaufsicht Bafin und elf Staatsanwälte durchsuchten insgesamt 86 Büros und Wohnungen, um Beweise für einen weitreichenden Verdacht zu finden.

Die Staatsanwaltschaft macht den insgesamt 37 Beschuldigten teils schwere Vorwürfe. Sie sollen in einem kriminellen Netzwerk die Kurse von neun Aktiengesellschaften systematisch manipuliert haben, um Kapitalanleger für den Kauf dieser Papiere zu begeistern und anschließend auszunehmen.

Mit abgesprochenen Werbekampagnen und teilweise sogar mit gezielten Falschmeldungen sei der Preis der betreffenden Aktien in die Höhe getrieben worden. Danach hätten sich die Verdächtigen dann am Verkauf dieser Papiere bereichert und so den eigenen Lebensunterhalt bestreiten wollen. Mindestens ein Beschuldigter kam in Untersuchungshaft. Insgesamt liegen vier Haftbefehle vor. Es wird ein Schaden von 20 Millionen Euro vermutet.

Der Fall erinnert an die Börsen-Affäre, die in München bereits vor Gericht verhandelt wird. Ein Kreis um Investor Tobias Bosler soll die Kurse diverser Firmen künstlich nach oben getrieben haben, um davon zu profitieren. Die Anleger hätten dieses Spiel nicht durchschauen können. Bosler sitzt seit fast eineinhalb Jahren in Untersuchungshaft und seit knapp sechs Wochen auf der Anklagebank des Münchner Landgerichts. Und er ist einer der 37 Beschuldigten in dem neuen Verfahren, aber nur als Nebenfigur. Bosler beteuert seine Unschuld und will einen Freispruch erkämpfen.

Bosler ist nicht der einzige Name aus den alten Akten, der im neuen Verfahren auftaucht. Bei den schon seit Jahren laufenden Ermittlungen, die auf international agierende Netzwerke schließen lassen, fanden sich Hinweise auf viele weitere Fälle dieser Art, denen nachgegangen wird.

Zum Beispiel bei einer Glücksspielgesellschaft aus Asien, deren Aktien an den Börsen in Frankfurt und München gehandelt werden. Mehrere Finanz-Publikationen berichteten, das Unternehmen stehe kurz vor dem Abschluss eines Lotterievertrages mit der Regierung in Vietnam. Das wäre eine schöne Einnahmequelle gewesen. An der Meldung aus Vietnam soll aber nichts dran gewesen sein.

Andere verdächtige Firmen handelten angeblich erfolgreich mit Biodiesel, Phosphat oder Gold, oder waren globaler Technologie-Marktführer bei Straßenlampen. Viele Börsen-Briefe und Finanz-Magazine berichteten darüber, und sogar ein seriöses Kreditinstitut soll darauf hereingefallen sein. Eine Volksbank aus Baden-Württemberg kaufte für viele ihrer Kunden Aktien einer Minen-Gesellschaft aus Asien im Wert von zwei Millionen Euro. Die Anleger hätten dann 90 Prozent ihres Investments verloren, notierte die Münchner Staatsanwaltschaft.

Davon, dass Luís Figo durch den Missbrauch seines guten Namens persönlich geschädigt worden sei, steht nichts in den Akten. Seine schlimmsten Erlebnisse bleiben wohl ein Wadenbeinbruch am Ende seiner Karriere in Italien und ein Spiel in Spanien, bei dem er mit einem Schweinskopf beworfen worden war.

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SZ vom 02.03.2012/infu
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