Anlage:Kein Gold der Welt

Warum Barren und Münzen kaum noch zu bekommen sind.

Von Victor Gojdka

Wäre nicht dieses glänzende Metall gewesen, dann wäre Ewald Nowotny in den späten Kriegswirren 1945 wahrscheinlich verhungert. Es waren ein paar Goldmünzen, die seine Mutter in der Stadt gegen Essen tauschen konnte, das Silberbesteck hatte sie längst an Bauern eingehandelt. Ausgerechnet der einstige oberste Notenbanker Österreichs offenbarte damit, wie schwer Gold für ihn aufzuwiegen ist.

Es sind Geschichten wie die von Nowotny, die das kalte Metall in den Augen vieler Deutscher zu einem mythischen Stoff machen, zu einem Anlagerefugium - einem Krisenmetall. Zu Tausenden wollen viele Privatleute auch dieser Tage ihr Geld in Gold wandeln. Allein: Das geht nicht mehr, die schweren Barren und glänzenden Münzen sind bei den Händlern kaum noch zu bekommen. Das Krisenmetall selbst ist in der Krise.

Robert Hartmann, der Gründer des Handelshauses Pro Aurum, steckt mittendrin: Der Mann mit der weichen Stimme hat seinen Onlineshop kurzerhand dichtgemacht, er konnte sich vor Orders nicht mehr retten - bis Mittwoch geht dort gar nichts mehr. "So etwas habe ich noch nicht erlebt", sagt Hartmann. Bei der Konkurrenz von Degussa Goldhandel heißt es im Internetshop bei vielen Produkten "in Kürze verfügbar". Wohl eine klingende Umschreibung für: ausverkauft.

Händler Hartmann konnte beobachten, wie der europäische Goldmarkt an nur einem Wochenende in sich zusammenfiel: Drei Raffinerien im Schweizer Tessin mussten wegen des Coronavirus ihre Tore schließen. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer, denn ausgerechnet die Tessiner Raffinerien beherrschen fast die Hälfte des Goldmarktes. Und schon zuvor stockten die Lieferungen der hoch gesicherten Werttransporter. "Da laufen die Telefone heiß", sagt Carsten Menke von der Privatbank Julius Bär.

Auch Goldhändler Hartmann telefoniert an diesem Tag laufend mit den großen Lieferanten. Doch Münzen aus Kanada? Transportiert kein Flugzeug mehr nach Europa. Goldminen in Südafrika? Fahren herunter. Die großen Barren-Anbieter? Haben nichts mehr.

Für Kunden bedeutet das: Wer bei einem Onlineshop überhaupt noch Barren oder Münzen findet, muss große Aufgelder zahlen - mehr also als den Weltmarktpreis für Gold. Vier Prozent Aufschlag sind normal, doch aktuell werden 13 Prozent fällig. "Apothekerpreise", sagen sie dazu am Goldmarkt. "Wer jetzt kaufen will, sollte also sehr gut vergleichen", sagt Goldkenner Ronald Peter Stöferle vom Vermögensverwalter Incrementum.

In der Zwischenzeit ist klar: Das Telefonieren hat sich für Goldhändler Hartmann gelohnt. Aus Südafrika geht noch ein Flieger mit Münzen raus. "Ich habe sogar schon die Transportnummer." Auch aus Österreich kommt noch Ware. Doch in zehn Tagen, fürchten manche Händler, könnte frisches Gold hierzulande ad hoc nicht mehr zu bekommen sein. Nicht für alles Geld der Welt.

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