Süddeutsche Zeitung

Anklage gegen Middelhoff:Justiz gegen Big T, nächste Runde

Spesenritter oder verantwortungsvoller Konzernlenker? Ob der ehemalige Bertelsmann- und Arcandor-Manager Middelhoff Privatflüge zu Unrecht über sein Unternehmen abgerechnet hat, soll nun ein Gericht klären. Aber je heftiger die Vorwürfe, desto stärker kämpft er.

Von Klaus Ott

In früheren Zeiten, als er in der deutschen Wirtschaft noch ganz oben stand, jettete Thomas Middelhoff gerne rund um den Globus und hing großen Visionen nach. Besonders wohl hat sich der "Amerikaner mit deutschen Pass", so seine Selbstbeschreibung, in den USA gefühlt. Insbesondere dort wollte der Mann von Welt den Medienkonzern Bertelsmann als Vorstandschef groß und größer und zu einem der führenden Konzerne im Internet machen.

Reinhard Mohn, dem inzwischen verstorbenen Patriarchen von Bertelsmann, wurden solche Pläne schließlich zu kühn. Middelhoff musste die Konzernzentrale in der westfälischen Provinz in Gütersloh verlassen. Auch die nächste spektakuläre Aufgabe, die Sanierung des in Arcandor umbenannten Kaufhaus-Konzerns Karstadt, war keine Erfolgsgeschichte. In Essen musste der "Big T" genannte Manager ebenfalls vorzeitig gehen. Wenige Monate später war Arcandor pleite.

Jetzt hat Middelhoffs Wirken in Essen ein Nachspiel für den einstigen Konzernchef. Big T soll vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft Bochum hat Anklage erhoben gegen den Manager, der im Mai 60 Jahre alt wurde. Die Strafverfolger werfen dem früheren Arcandor-Chef vor, in mehreren Fällen Konzernmittel veruntreut zu haben.

Middelhoff soll beispielsweise private Charterflüge über das Unternehmen abgerechnet haben. Laut Staatsanwaltschaft geht es um einen Betrag "im hohen sechsstelligen Bereich". Es ist nicht der erste Vorwurf gegen den gebürtigen Rheinländer nach seiner Zeit im Ruhrgebiet. Der Insolvenzverwalter von Arcandor fordert 175 Millionen Euro Schadenersatz von Middelhoff und weiteren Ex-Managern, weil sie ihre Pflichten verletzt hätten.

Den Spieß umdrehen

Das sind längst nicht alle Auseinandersetzungen rund um Arcandor, in die Big T verwickelt war oder ist. Middelhoff wird auch die Anklage nicht umwerfen oder zum Nachgeben bewegen. Im Gegenteil. Je heftiger die Vorwürfe, desto stärker kämpft der Mann um sein Ansehen. Nach einem in erster Instanz verlorenen Schadenersatzprozess hatte der ehemalige Arcandor-Chef bereits angekündigt, nun den Spieß umzudrehen und seinerseits den Insolvenzverwalter zu verklagen. Middelhoff sprach von einer "Rufmord-Kampagne" gegen ihn. Bis das alles geklärt ist, kann es noch Jahre dauern - falls man sich nicht einigt.

Jetzt kommt es für den langjährigen Top-Manager darauf an, ob das Landgericht Essen die Anklage aus Bochum zulässt und es zu einem Prozess kommt. Oder ob ihn sein Anwalt Sven Thomas davor bewahren kann. Thomas hat schon vielen Wirtschaftsgrößen Beistand geleistet, vom früheren Deutsche-Bank-Boss Rolf Breuer bis zum ehemaligen Siemens-Chef Heinrich von Pierer. Oft mit Erfolg, aber nicht immer.

Thomas sagt, bei der Anklage gegen seinen Mandanten Middelhoff gehe es um eine Grundsatzfrage: Was dürfen schwer beschäftigte Manager abrechnen und was nicht? Middelhoff habe Reisen dazu genutzt, Termin an Termin zu reihen, um beispielsweise sein Aufsichtsrats-Mandat bei der New York Times wahrzunehmen und gleichzeitig seinen Job bei Arcandor zu machen. Da zu unterstellen, Middelhoff habe private Flüge zu Lasten des Konzerns abgerechnet, sei falsch, sagt Thomas. Die Reisen seien vom Aufsichtsrat genehmigt gewesen; und im Übrigen habe sein Mandant für Flüge, die tatsächlich privat gewesen seien, über Jahre hinweg mehr als zwei Millionen Euro aus eigener Tasche bezahlt.

Gegenstand der Anklage soll auch eine Festschrift zum 70. Geburtstag von Mark Wössner sein, Middelhoffs Vorgänger als Vorstandschef bei Bertelsmann. Arcandor hatte die Kosten in Höhe von 150.000 Euro übernommen.

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SZ vom 25.06.2013/jab
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