Angst vor Währungskrieg:Zum Golde drängt doch alles

Droht das Währungssystem aus den Fugen zu geraten? Weltbank-Chef Robert Zoellick befürchtet das - und wartet mit einem überraschenden Vorschlag auf: Währungen könnten wieder mit Gold abgesichert werden.

Nikolaus Piper

Die Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrieländer werden diese Woche bei ihrem Gipfel in Südkorea vor allem ein Thema haben: die Angst vor einem Währungskrieg. Die US-Notenbank pumpt gerade viele neue Milliarden in den Markt. Dadurch verliert der Dollar schnell an Wert, die US-Wirtschaft erhält bessere Exportchancen.

Weltbank-Chef Robert Zoellick regt an, in Zukunft Währungen wieder durch Gold abzusichern.

Weltbank-Chef Robert Zoellick regt an, in Zukunft Währungen wieder durch Gold abzusichern.

(Foto: dapd)

Werden andere Staaten nun auch ihre Währung verbilligen? Drohen Inflation und neue Turbulenzen in der Weltwirtschaft? Weltbank-Chef Robert Zoellick hält die Lage für bedrohlich. Er regt an, zum System fester Wechselkurse zurückzukehren und die Währungen durch Gold abzusichern.

Ein Wort elektrisiert die internationale Finanzwelt: Gold. Der Präsident der Weltbank, Robert Zoellick, forderte in einem Zeitungsbeitrag die 20 großen Industrie- und Schwellenländer (G20) zu einer Grundsatzreform des internationalen Währungssystems auf. Dazu sollten sie auch Gold benutzen. Die Staats- und Regierungschefs der G-20-Staaten kommen an diesem Donnerstag in Seoul zu ihrem Gipfeltreffen zusammen.

Die Frage, ob Geld nicht wieder, wie in alten Zeiten, durch Gold gedeckt werden sollte, war bisher ein eher esoterisches Thema für Fachökonomen. Dass sich jetzt ausgerechnet der Chef der Weltbank der Frage widmet, zeigt, wie sehr die Währungsordnung durch die Finanzkrise beschädigt wurde. Neue Ideen sind dringend gesucht.

China und die USA liegen im Streit, weil Peking den Yuan zu einem extrem niedrigen Kurs an den Dollar bindet und sich so Wettbewerbsvorteile sichert. Der brasilianische Finanzminister Guido Mantega warnte vor einem "internationalen Währungskrieg", die Notenbanken Japans und der Schweiz greifen in die Devisenmärkte ein wie seit Jahren nicht mehr, um die Verteuerung ihrer Währungen zu stoppen.

Und auch das ist ein Symptom: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble greift die USA massiv und direkt an. Mit ihrer Politik der Geldschöpfung untergrabe die Notenbank Federal Reserve die "Glaubwürdigkeit" Amerikas, sagte Schäuble im Spiegel; das Ergebnis der US-Wirtschaftspolitik sei "trostlos". Schäubles Äußerungen dürften eine Art Präventivschlag sein: Der amerikanische Finanzminister Timothy Geithner wird in Seoul einen Plan vorlegen, nach dem Länder mit hohen Handelsüberschüssen, wie China und Deutschland, zu einer anderen Politik verpflichtet werden sollen.

Hier setzt nun Zoellick an. Der Weltbank-Präsident schlägt in der Financial Times den G-20-Staaten einen "Paket- Ansatz" vor, um eine Blockade der internationalen Wirtschafts- und Währungspolitik zu verhindern. Sie sollten sich nicht nur um Handelsüberschüsse und -defizite kümmern, sondern auch um Strukturreformen, um die Liberalisierung des Welthandels und um die Probleme von Entwicklungsländern. "Dieses Wachstumsprogramm sollten die G20 kombinieren mit einem Plan für ein kooperatives Währungssystem", das den Dollar, den Euro, den Yen, das Pfund und die chinesische Währung umfasse.

Gold als "internationaler Referenzpunkt"

Und dann der entscheidende Punkt: Gold solle dabei ein "internationaler Referenzpunkt für Markterwartungen hinsichtlich Inflation, Deflation und künftige Wechselkurse" werden. Das Ganze könne zu einem neuen "Bretton Woods" führen. Damit ist die historische Dimension klar. In Bretton Woods, einem Luftkurort im US-Bundesstaat New Hampshire, hatten die Alliierten im Juli 1944 die Währungsordnung der Nachkriegszeit entworfen. Alle Währungen wurden zu einem festen Kurs an den Dollar gebunden; dieser konnte geändert werden, aber nur einvernehmlich.

Die USA verpflichteten sich, einen Wechselkurs von 35 Dollar pro Feinunze Gold zu akzeptieren (heute kostet die Unze Gold knapp 1400 Dollar). Bretton Woods sicherte zwanzig Jahre Wachstum und Stabilität, scheiterte aber an seinen Widersprüchen: Um eine wachsende Weltwirtschaft mit Geld zu versorgen, mussten die USA immer mehr Dollar drucken; um den Goldpreis zu halten, hätten sie das Gegenteil machen müssen: die Geldmenge begrenzen. Beides zusammen war nicht zu haben, daher kündigte US-Präsident Richard Nixon 1971 die Goldbindung.

Seitdem werden Wechselkurse frei ausgehandelt, ein System, das Zoellick "Bretton Woods II" nennt. Das System funktioniert, zumindest an der Oberfläche. Enttäuscht wurde jedoch schon bald die Hoffnung auf mehr Stabilität. Die globalen Ungleichgewichte verschärften sich im Gegenteil. Während der achtziger Jahre griffen die Industrieländer zweimal gemeinsam und massiv in die Devisenmärkte ein - 1985, um das Überschießen des Dollars zu stoppen, zwei Jahre später, um seinen Sturz aufzuhalten.

An beiden Aktionen war Zoellick als Mitarbeiter des US-Finanzministeriums beteiligt. Stabiler wurde das System nicht. Ein weiteres Problem: In allen Industriestaaten stieg die Verschuldung massiv, und zwar sowohl die der Regierungen als auch die der Banken und, in den USA, der privaten Haushalte - ein Faktor, der die besondere Wucht der Finanzkrise von 2008 und 2009 erklärt.

Daher wird seit zwei Jahren verstärkt über eine neue Ordnung, ein "Bretton Woods III" nachgedacht. Im Frühjahr 2009 forderte der Präsident der chinesischen Zentralbank, Zhou Xiaochuan, den Dollar als Leitwährung abzulösen und durch internationalisiertes Geld zu ersetzen. Zhou schlug damals vor, zu diesem Zweck die Sonderziehungsrechte (SZR) aufzuwerten, eine Kunstwährung, die der Internationale Währungsfonds geschaffen hat. Das Modell dürfte an praktischen Gründen scheitern. Was aber, wenn Gold die Rolle des internationalen Geldes übernimmt?

Einen reinen Goldstandard, also ein System goldgedeckter Währungen, wie er vor dem Ersten Weltkrieg bestanden hat, wird es sicher nicht geben. Gold hat einen großen Nachteil, und der ist durch die Geologie, nicht durch die Ökonomie bedingt: Seine Menge lässt sich nicht an den Bedarf einer wachsenden Weltwirtschaft anpassen. Aber vielleicht gibt es ein anderes, besseres Modell? Zoellick schweigt sich zu Details aus. Aber gerade das dürfte die Phantasie der Finanzmärkte in den nächsten Tagen anregen.

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