Angst um die Rente:Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig

Der großen Mehrheit der Rentner geht es gut. Noch. Denn das Niveau der Altersbezüge wird drastisch sinken. Ohne politische Korrekturen benötigen viele Ruheständler künftig staatliche Hilfe. Wie viel Rente gibt es in Zukunft? Wie kann ich meinen Lebensstandard im Alter sichern? Was tut die Regierung?

Thomas Öchsner, Berlin

Im Koalitionsvertrag von 2009 haben sich Union und FDP viel vorgenommen: "Wir wollen, dass diejenigen, die ein Leben lang Vollzeit gearbeitet und vorgesorgt haben, ein Alterseinkommen oberhalb der Grundsicherung erhalten", heißt es darin. Wie die Bundesregierung das schaffen will, hat sie bislang offen gelassen. Nun beginnt am Mittwoch der "Regierungsdialog Rente". Bei den Gesprächen mit Experten und Sozialverbänden wird über Wege zur Vermeidung der Altersarmut diskutiert. Worum es dabei geht, zeigt ein Überblick.

Rente SZ-graphik: Hanna Eiden

Vielen Bürgern bleibt im Alter nicht viel Geld. Sie haben allerdings keine Vorstellung, wie groß die Rentenlücke in Zukunft sein wird.

Wie hoch ist die gesetzliche Altersrente?

Wer ausschließlich auf die staatliche Rente angewiesen ist, kann nicht in Saus und Braus leben: 2010 erhielten Männer in Westdeutschland im Durchschnitt eine Altersrente von 985 Euro. Frauen bekamen nur 490 Euro. Die Zahlen vermitteln aber kein vollständiges Bild. Tatsächlich haben die meisten Menschen im Alter von 65 Jahren aufwärts deutlich mehr Geld zur Verfügung, weil sie Einnahmen aus einer Lebensversicherung haben, eine Betriebsrente beziehen, Immobilien besitzen oder mit einem Lebenspartner ihre Ausgaben teilen können.

Gibt es viele arme Rentner?

Amtlich gelten nur zwei bis drei Prozent der Rentner als arm, weil sie mit ihrem Einkommen unter dem staatlichen Grundsicherungsniveau liegen. Ende 2009 waren dies rund 764 000 Personen. Im Durchschnitt erhielten sie 627 Euro zum Leben und Wohnen. Fast die Hälfte von ihnen musste vorzeitig aufhören zu arbeiten, weil sie krank waren. Viele sind nur zwischen 50 und 60 Jahren alt.

Wie wird sich das Rentenniveau in Zukunft entwickeln?

Wer in 30 Jahren Altersgeld kassiert, bekommt etwa 20 Prozent weniger Leistungen als einer, der soeben das Berufsleben beendete. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sagt in einer Studie voraus, dass die einzige Gruppe, die ihre Rente auf einem niedrigen Niveau ausbauen kann, westdeutsche Frauen sind, weil sie mehr arbeiten als früher. Fest steht, dass das Niveau der Nettorente sinkt. Dieses sogenannte Sicherungsniveau gibt - vor Zahlung von Steuern - das Verhältnis zwischen der Rente an, die ein Durchschnittsverdiener nach 45 Jahren erhält, und dem Brutto-Durchschnittseinkommen. Derzeit beläuft es sich das Sicherungsniveau auf 50,8 Prozent. 2025 wird es laut Arbeitsministerium 45,2 Prozent betragen. 2030 sollen es sogar nur noch 43 Prozent sein.

Wie aussagekräftig sind die Zahlen?

Gerechnet wird mit dem sogenannten "Eckrentner". Der Bruttoverdienst dieses Muster-Rentners liegt derzeit im Westen bei 2522,33 Euro. Er bringt es so auf eine monatliche Rente von 1236,15 Euro. Das Problem dabei: Der Muster-Bürger ist nur eine fiktive Rechengröße - und in der Realität längst am Aussterben. Denn immer weniger Arbeitnehmer schaffen es, Jahrzehnte ununterbrochen Sozialabgaben zu zahlen und dabei auch noch ordentlich zu verdienen. Insofern werden viele zukünftige Ruheständler mit ihren Altersbezügen unter dem ohnehin sinkenden Nettorentenniveau liegen.

Warum geht das Rentenniveau zurück?

Wegen des Geburtenrückgangs wird die Zahl der Erwerbstätigen abnehmen. Der Anteil der Rentner an der Gesamtbevölkerung vergrößert sich. Sollen trotzdem die Rentenbeiträge für die Jüngeren bezahlbar bleiben und nicht viel mehr Steuergeld in die Rentenkassen fließen, muss das Rentenniveau sinken. Derzeit liegt der Beitrag bei 19,9 Prozent des sozialversicherungspflichtigen Einkommens. Langfristig soll er unter 22 Prozent bleiben, auch um die Lohnnebenkosten für die Unternehmen in Grenzen zu halten.

Droht vielen Menschen die Altersarmut?

Ohne Reformen sieht der Paritätische Wohlfahrtsverband eine düstere Zukunft. Er schätzt, dass der Anteil der über 65-Jährigen, die die Grundsicherung benötigen, bis zum Jahr 2025 auf zehn Prozent steigen wird.

Welche Erwerbstätigen sind gefährdet?

Es gibt etwa 6,5 Millionen Menschen , die Niedriglöhne bekommen und nur Mini-Beiträge in die Rentenversicherung einzahlen. Selbst wenn solche Kleinverdiener 45 Jahre lang arbeiten würden, erhielten sie nicht einmal eine Rente auf dem Niveau der Grundsicherung. Gefährdet sind die Hartz-IV-Empfänger, für die der Staat kein Geld mehr in die Rentenkasse überweist. Ein höheres Armutsrisiko im Alter gibt es auch für die wachsende Zahl der Solo-Selbständigen ohne Angestellte, die zu wenig Geld verdienen, um fürs Alter vorsorgen zu können. Vor allem in Ostdeutschland könnte die Armut im Ruhestand zunehmen, prognostiziert das DIW. Dies gelte besonders ab den Jahrgängen 1957 bis 1961 für Männer und ab 1962 bis 1966 (Frauen).

Was will die Bundesregierung tun?

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wird diese Woche Vorschläge zur Bekämpfung der Altersarmut vorlegen. Zu der ganz großen, teuren Reform dürfte es dabei nicht kommen. Eine Mindestrente, in welcher Form auch immer, wird die Koalition nicht einführen. Es gilt aber als sicher, dass die Erwerbsminderungsrente verbessert wird. Außerdem ist geplant, die Hinzuverdienst-Grenzen für Frührentner zu erhöhen. Dies soll die Teilrente als Ersatz für den Vorruhestand attraktiver machen.

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