Angespannter Wohnungsmarkt:Deutschlands Luxus-Problem

Häuser und Wohnungen verteuern sich weiter

Eine erleuchtete Wohnung im Marco-Polo-Tower in der Hamburger Hafencity

(Foto: dpa)

"Reich baut für Reich": In den Städten entstehen zwar neue Wohnungen, doch die hohen Preise können sich selbst Durchschnittsverdiener kaum noch leisten. Mieterbund und Baubranche verlangen nun gemeinsam mehr Förderung vom Staat, um "soziale Segregation" zu verhindern.

Von Thomas Öchsner, Berlin

"Junge Familie sucht Wohnung mit vier Zimmern, gern renovierungsbedürftig, auch Ofenheizung, Balkon wäre schön; wir haben keine Haustiere, bitte alles anbieten!!" Mietgesuche sind derzeit oft Akte der Verzweiflung. Selbst bei Unterkünften, die wenig attraktiv oder für viele Menschen kaum erschwinglich sind, kommen Dutzende Interessenten zum Besichtigungstermin. Und es wird immer schlimmer - das glaubt zumindest Deutschlands ungewöhnlichste Koalition, das "Veränderungsbündnis Wohnungsbau", in dem sich Vermieter und Mieterbund, Gewerkschaft und Verbände des Baugewerbes zusammengeschlossen haben, um für mehr bezahlbare Wohnungen zu trommeln.

"Die Wohnungsbaupolitik ist eine Großbaustelle in Deutschland, aber eine, auf der viel zu wenig passiert, auf der gar nicht oder nicht ausreichend gearbeitet und gebaut wird", sagt Lukas Siebenkotten, Direktor des Deutschen Mieterbundes. Nach der Einschätzung des Bündnisses fehlen in den Großstädten, Ballungsgebieten und Universitätsstädten 250.000 Mietwohnungen, obwohl es kleine Fortschritte gibt: 2009 wurden 137.000 Wohnungen in Deutschland gebaut, 2012 waren es bereits 185.000, auch weil Kapitalanleger wegen der Euro-Krise mehr Geld in Immobilien steckten. Doch neue Objekte entstehen größtenteils im Hochpreissegment, frei nach der Devise "Reich baut für Reich".

Gleichzeitig hat sich die Zahl der Sozialwohnungen binnen 20 Jahren von fast vier Millionen auf weniger als 1,6 Millionen verringert, und der Bedarf wächst: Die Zahl der Haushalte stieg von 2002 bis 2010 von 38,7 auf 40,3 Millionen. 2030 dürften es bereits 41,4 Millionen sein, und bei dieser Hochrechnung sei die steigende Zuwanderung kaum berücksichtigt worden, warnt Mieterbund-Mann Siebenkotten. "Wenn heute in Groß- und Universitätsstätten die Wiedervermietungsmieten 20, ja bis zu 40 Prozent im Städtedurchschnitt über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen, dann ist es wohnungspolitisch fünf vor zwölf", sagt er.

Verdrängungswettbewerb führe zu sozialer Segregation

Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, ist ebenfalls alarmiert. Er sieht einen Verdrängungswettbewerb, weil besser verdienende Einkommensschichten "auch Wohnraum nachfragen, der bislang eher den mittleren und niedrigeren Einkommensschichten zur Verfügung stand". Dieses Problem werde sich langfristig verstärken, weil der Anteil der Geringverdiener oder Armutsrentner zunehme. Wohin dies führe, könne man im Ausland beobachten. Die Folge sei eine "soziale Segregation", die den Staat mehr Geld kosten werde als eine stärkere Förderung des Wohnungsbaus.

Was also ist zu tun? Der Zusammenschluss der Wohnungsbau-Lobbyisten macht sich vor allem dafür stark, dass der Staat den Wohnungsbau für mittlere Einkommen fördert. Dies sorge auch für Entlastungseffekte im unteren Preissegment, da Haushalte mit einem mittleren Einkommen günstige Wohnungen freimachen, die nicht mehr ihren Ansprüchen genügen.

Wunschkatalog für die Politiker

Das Bündnis stützt sich dabei auf eine Studie vom Berliner Forschungsinstitut RegioKontext, das aus den Aussagen von Wohnungsbau-Experten einen Wunschkatalog für die Politiker zusammengestellt hat. Dazu gehören neue Steueranreize: So schlagen die Verbände vor, die lineare Abschreibung bei Neubauten von zwei auf vier Prozent zu erhöhen, die Programme der Staatsbank KfW für die energetische Gebäudesanierung aufzustocken und das Förderpaket für das altersgerechte Bauen mit jährlich mindestens 100 Millionen Euro auszustatten.

Ramsauer will sozialen Wohnungsbau fördern

Die Kommunen werden aufgefordert, städtische Flächen nicht nach dem höchsten Angebot, sondern nach dem besten Konzept zu verkaufen. Unternehmen sollten mehr Betriebswohnungen bauen. Der Bund müsse den sozialen Wohnungsbau mindestens so stark fördern wie bisher. Derzeit stehen dafür gut 500 Millionen Euro zur Verfügung. Wie die Länder die Mittel verwenden, müssten sie aber nicht nachweisen, kritisiert Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB). Künftig müsse dieses Geld eins zu eins in den sozialen Wohnungsbau fließen.

Einige wenige Länder sind bereits vorgeprescht. Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat den Wohnungsbau als "Herzstück" seines Regierungsprogramms bezeichnet. 2012 seien mehr als 8700 Baugenehmigungen erteilt worden - mehr als doppelt so viele wie 2008.

Auch Bauminister Peter Ramsauer (CSU) will auf einmal mehr Geld ausgeben, für Steuervorteile, den sozialen Wohnungsbau, die Neubau-Förderung und sogar für eine neue Form der Eigenheim-Zulage. Zu spät, meint die Opposition. Ramsauer habe "Engpässe auf dem Wohnungsmarkt ignoriert und rechtzeitige Gegenwehr verpennt", sagt SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Sicher ist: Etwas passieren wird erst nach der Bundestagswahl. Bis dahin kann sich der ZDB-Mann Pakleppa damit trösten, dass "wir am Ende der Legislaturperiode immerhin etwas weiter sind, als wir zu Beginn waren". Die Politiker hätten das Thema wieder für sich entdeckt. "Das war", sagt er, "vor vier Jahren noch gänzlich anders."

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