Andreas Türck: Comeback als Unternehmer:"Ich bin wieder auf die Beine gekommen"

Er war ein Star der Fernsehbranche, ehe ein dubioser Prozess ihn ausmanövrierte. Nun kehrt Andreas Türck in die Medienwelt zurück: als Internet-Unternehmer.

Interview: Hans-Jürgen Jakobs

Andreas Türck, 38, moderierte im Radio und im Fernsehen, unter anderem "Dalli Dalli" im ZDF. Bekannt wurde er durch seine tägliche Talkshow bei Pro Sieben. Ein dubioser Prozess brachte dann die TV-Karriere des Wiesbadeners zum Stillstand. Türck interessierte sich mehr und mehr fürs Internet - und startet dort jetzt neu durch. Er ist Mitgesellschafter der neuen Firma Pilot Entertainment, die Formate fürs Web-TV entwickelt.

Andreas Türck
(Foto: Foto: Katrin Müller/dot.communications GmbH)

sueddeutsche.de: Bekannt geworden sind Sie als TV-Moderator im Privatsender Pro Sieben. Nun wird der langjährige Fernsehstar Andreas Türck Unternehmer im Internet. Ein totaler Rollenwechsel?

Andreas Türck: Es ist schon ein gewaltiger Unterschied, Protagonist oder Unternehmer zu sein. Ich will das nicht gewichten, aber das sind verschiedene Berufssparten.

sueddeutsche.de: Sie sind jetzt Gesellschafter der neuen Firma Pilot Entertainment geworden. Partner dabei ist die Hamburger Mediaagentur Pilot. Was reizt Sie an der neuen Aufgabe?

Türck: So neu ist das alles nicht. Im Jahr 2002 habe ich freiwillig meine nachmittägliche Talkshow bei Pro Sieben aufgegeben. Mit mehr als 250 Sendungen im Jahr war die Schlagzahl hoch, die Kreativität blieb da zwangsläufig auf der Strecke. Ich habe damals aufgehört, nicht um Ruhe zu haben, sondern um meinem unternehmerischen Drang nachzugehen. Ich entwickelte Formate ...

sueddeutsche.de: ... bis es dann zu einem dubiosen Prozess in Frankfurt wegen einer angeblichen Vergewaltigung kam, der vor zwei Jahren mit einem Freispruch endete.

Türck: Ja, dann kam tatsächlich dieser Albtraum. Jetzt knüpfe ich wieder dort an, wo ich unternehmerisch aufgehört habe. Ich arbeite gerne hinter der Kamera.

sueddeutsche.de: Welche Konzepte fürs Fernsehen hatten Sie einst entwickelt?

Türck: Zum Beispiel ein völlig neuartiges Reiseformat und eine Sendung, in der der Moderator ganz normale Menschen zu Hause besucht. Ich konnte Erfahrungen einbringen, die ich in vielen Jahren bei Radio- und Fernsehsendern gesammelt habe, und mehrere Formate bis zum fertigen Produkt durchentwickeln. Das kommt mir jetzt natürlich zu gute.

sueddeutsche.de: Wie wollen Sie nun Kreativität ins Internet einbringen?

Türck: Die Mechanismen der Branche sind mir bewusst. Ich möchte den User ernst nehmen, so wie das im klassischen TV ja immer noch üblich ist. Ich möchte weg vom Trash - und hin zur Qualität. Emotionen und der berühmte "rote Faden" werden dabei sicher eine große Rolle spielen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie schwer es war für Andreas Türck, ins normale Leben zurückzufinden.

"Ich bin wieder auf die Beine gekommen"

sueddeutsche.de: Was ist Ihre Rolle in der neuen Firma Pilot Entertainment?

Türck: Ich komme von der inhaltlichen Seite, meine Mitgesellschafter von Pilot stammen aus dem Agenturgeschäft und sind für die Umsetzungen verantwortlich. Wir sind als Gesellschafter gleichberechtigte Partner. Ich kümmere mich auch um Kundenkontakte, wobei mir ein gutes Netzwerk zur Industrie hilft. Mein Talent liegt in der Kommunikation mit Menschen, denen ich kreative Konzepte näher bringen kann. Ich werde Motor dieser Firma sein.

sueddeutsche.de: Worum geht es dabei genau?

Türck: Wir erarbeiten Formate für Partner in der Industrie und in den Medien, die bereits finanziert sind. Viele in der Branche streiten ja darüber, wie man im Internet Geld verdient. Wir wissen, wie das funktioniert.

sueddeutsche.de: Das Ergebnis ist dann auf den Homepages von Firmen zu sehen?

Türck: Ja. Aber vielleicht errichten die Unternehmen auch ein neues Portal unter einer eigenen Marke. Ein Beispiel ist Mein-Geld-und-ich von der Volkswagen Bank - das ist ein von Pilot entwickeltes Konzept, das ich weiter betreue. Ich selbst habe einige solcher Ideen entwickelt.

sueddeutsche.de: Im Jahr 2004 hatten Sie kurz noch einmal die Musiksendung Chart-Show moderiert. Mit was haben Sie sich seit Ihrem Ausstieg aus dem Fernsehshowgeschäft beruflich beschäftigt?

Türck: Zunächst war es unglaublich schwierig, ins normale Leben zurückzufinden. Der Prozess hat in meinem Leben riesige Wunden hinterlassen. Dennoch habe ich es geschafft, wieder auf die Beine zu kommen. Ich habe dann Firmen freiberuflich bei Marketing- und PR-Fragen geholfen. Dabei kam immer wieder die Sprache aufs Internet. Was kann man da machen? Wie geht man am besten mit diesem Boom-Medium um?

sueddeutsche.de: Wie mutig gehen die Firmen ins Netz?

Türck: Sie wollen etwas wagen. Aber woher soll die Erfahrung kommen? Da sind sie auf Hilfen von außen angewiesen. Die Verlage haben beispielsweise die inhaltliche Kompetenz, doch bei Videos fehlt Ihnen die Erfahrung. Überall werden Fachkräfte für Web-TV gesucht. Das ist ein neues, wichtiges Arbeitsfeld.

sueddeutsche.de: Worauf ist dabei zu achten - im Gegensatz zum herkömmlichen TV?

Türck: Im klassischen Fernsehen gibt es klare Grenzen der Entwicklung. Da setzt das Internet an und macht weiter. Derzeit ist Web-TV sozusagen mit der Lichthupe auf der Überholspur, die Gewichte im Medienmarkt ändern sich. Was am Ende dabei herauskommt, kann heute keiner sicher sagen. Das ist Neuland. Wer sich da als absoluter Web-Experte ausgibt, flunkert. Wir wollen in dem Rennen eine erste Adresse sein.

sueddeutsche.de: Was hebt Web-TV über das klassische Fernsehen hinaus?

Türck: Vieles im TV kommt aus der Konserve und ist vorproduziert. Ich fand es als Talk-Moderator schade, nicht auf aktuelle Themen eingehen zu können, da die Sendung mit zwei Wochen Vorlauf entstand. TV-Magazine können rasch reagieren und entwickeln sich gut. Typische Unterhaltungsformate aber haben es derzeit enorm schwer und werden auf Event getrimmt. Ganz anders das Netz: Hier ist Infotainment viel aktueller und schneller. Es ist leicht möglich, den Nutzer direkt mitgestalten zu lassen.

sueddeutsche.de: Wollen Sie selbst bei den eigenen Web-TV-Innovationen als Moderator wirken?

Türck: Das ist möglich. Sag niemals nie, heißt es so schön. Eine Moderatorentätigkeit steht aber nicht an erster Stelle. Da geht es um meine unternehmerische Tätigkeit, die ist mir dort momentan wichtiger.

Lesen Sie auf der letzten Seite, warum Türck keinen Nachmittagstalk mehr machen will.

"Ich bin wieder auf die Beine gekommen"

sueddeutsche.de: Denken Sie an ein Gesprächsformat?

Türck: Ich komme aus dem Talk. Das ist möglich.

sueddeutsche.de: Angeblich entwickeln Sie etwas mit stern.de.

Türck: Ja, auch mit dem Stern haben wir gesprochen. Aber dem war unser Vorschlag eine Nummer zu groß. Wir sprechen schon seit längerem auch mit anderen Verlagen. Es wird geforscht und ausprobiert. Pilot Entertainment verfügt über fertige Formate, die wir auf dem Markt platzieren wollen.

sueddeutsche.de: In der Branche ist bekannt, dass Ihnen Fernsehsender einen Moderatorenjob angeboten haben, unter anderem offenbar Ihr alter Stammsender Pro Sieben. Sie sind in der Münchner Sendezentrale gesehen worden.

Türck: Ich war vor allem da, um Formatideen vorzustellen.

sueddeutsche.de: Sie sollten wieder eine Nachmittags-Talkshow übernehmen.

Türck: Das sagen Sie. Es gab, wie gesagt, auch andere Gründe für den Besuch. Das, was mir angeboten wurde, passt jedenfalls nicht zu dem Menschen, der ich heute bin. Andere Türen blieben mir verschlossen - wegen der schweren Vorwürfe, die mir gemacht worden waren.

sueddeutsche.de: Der in der Boulevardpresse genüsslich ausgebreitete Frankfurter Prozess hat verhindert, dass Sie seriöse TV-Moderationen übernehmen konnten?

Türck: Das stimmt allerdings. Die Vorverurteilung mit der ich zu kämpfen hatte, war mit meinem Freispruch noch lange nicht erledigt. Viele Menschen haben mich behandelt, als wäre ich verurteilt worden.

sueddeutsche.de: Aber wieder einen Nachmittagstalk zu machen, das wollten Sie partout nicht mehr.

Türck: Das bin ich nicht mehr. Das passt nicht mehr in meine Seele.

sueddeutsche.de: Was unterscheidet Ihr neues vom alten Ich?

Türck: Meine Vergangenheit liegt in der leichten Unterhaltung. Dazu gehörte, die Showtreppe herunterzulaufen und von allen beklatscht zu werden. Ich war auf Seite eins der Bravo, und damit war ich auch zufrieden. Heute bin ich ernster geworden und mache mir um ganz andere Dinge Gedanken. Durch meinen Fall beobachte ich zum Beispiel politische und gesellschaftliche Entwicklungen mit ganz anderen Augen als früher.

sueddeutsche.de: Jetzt sind Sie Unternehmer und Gesprächspartner für Manager.

Türck: Ja, die unternehmerischen Aspekte zählen, ich will langfristig etwas aufbauen. Ich hätte ja sehr schnell auf diese TV-Show-Option zugreifen können.

sueddeutsche.de: Haben Sie das Gefühl, ganz vorne dabei zu sein bei einer digitalen Revolution?

Türck: Ich setze auf ein Pferd, an das ich voll glaube. Man kann mit Kreativität eine Menge im Netz bewegen, das ist eine Herausforderung für alle. In meiner Zwangspause habe ich das Internet kennen und lieben gelernt - diese Frische, diese Kraft.

sueddeutsche.de: Wirkt nicht vieles im Web-TV für einen gestandenen Fernsehprofi amateurhaft?

Türck: Noch wird das Netz sehr stark geprägt von Laien und durch Trash. Dafür ist Youtube ein Beispiel. Man sollte, wie gesagt den User etwas ernster nehmen und ihm qualitativ anspruchsvoller gegenübertreten. Alles andere überlassen wir weiterhin ihm. Selbstbestimmung ist schließlich die größte Stärke des Internets.

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