Süddeutsche Zeitung

Andreas Scheuer:Vom Mautverlierer zum Maskenprofi

  • Nach der Affäre um die gescheiterte Maut stand Verkehrsminister Andreas Scheuer stark in der Kritik. In der Corona-Krise setzt er sich persönlich für die Beschaffung von Schutzausrüstung ein.
  • Am Dienstag landete in München ein Flugzeug mit acht Millionen Schutzmasken an Bord.
  • Scheuer hatte den Deal in seinem niederbayerischen Wahlkreis eingefädelt. Den Vorwurf, er würde Freunde bevorzugen, findet er "absurd".

Von Max Hägler

Den enormen Bedarf an Schutzmaterial angesichts der Corona-Krise hat die Bundesregierung in dieser Woche vorgerechnet: Allein im Gesundheitswesen ist laut des zuständigen Ministers Jens Spahn (CDU) von einem Jahresbedarf von 450 Millionen FFP-2-Spezialmasken auszugehen, das sind die mittelguten - die in Virendingen mittlerweile geschulte Republik weiß das. Hinzu kämen eine Milliarde OP-Masken als sogenannter "Mund-Nasen-Schutz".

Kaum vorstellbar sind diese Mengen. Denn es ist eine verflixt komplizierte Aufgabe, Schutzmasken aufzutreiben. Die Produktion hierzulande läuft noch nicht. Und die Beschaffung aus dem Hauptfabrikationsland China ist weiter schwierig: Zwar hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Chinas Präsident Xi Jinping gesprochen, der Zugang zu den Massenherstellern soll damit leichter sein. Doch tatsächlich gelangen von den täglich etwa 100 Millionen in China produzierten Masken nur wenige nach Deutschland. Auch die Abgeordneten aktivieren deshalb ihre Netzwerke, wie Andreas Scheuer berichtet.

Scheuer konnte die Schutzmasken-Lieferung mit Anrufen bei der Lufthansa beschleunigen

Der CSU-Politiker aus Passau ist als Bundesverkehrsminister derzeit sowieso der Logistikmeister der Republik - und hat in dieser Woche selbst von seinem Wahlkreisbüro in Passau aus eine Lieferung organisiert. Am Dienstag landete eine Flugzeug in München, an Bord acht Millionen Masken. "Wie zwei Passauer Millionen Schutzmasken nach Bayern bringen", schrieb die Passauer Neue Presse (PNP) - weil der Mittelsmann des Maskengeschäfts ein Sportartikel-Händler auch aus dem Ort ist. Und weil Scheuer mit Anrufen bei der Lufthansa-Führung die Lieferung beschleunigen konnte.

Wie schnell sich die Lage doch ändert. Bis vor wenigen Wochen musste sich Scheuer vor allem mühevoll verteidigen gegen Vertuschungsvorwürfe beim gescheiterten Maut-Projekt, war im Dauerfeuer der Opposition und ist auch in der eigenen Partei umstritten gewesen. Für den Moment ist das vorbei. Jetzt ist Scheuer als Logistikexperte und Schutzausrüster gefragt. "Ich habe dazugelernt in den vergangenen Wochen, was Masken anbelangt", sagt Scheuer: "Es gilt, auf die Zertifikate zu schauen, mitunter sind da wilde Sachen unterwegs, die nur ungenügend Schutz bieten würden."

Von Stanzverfahren und Wärmeformungen habe er nun Ahnung - und könne auch vorsortieren. Am Donnerstag habe ihn ein Möbelschreiner angerufen: er kenne da in Vietnam jemanden, der Masken habe. Das sei eher nix. Was einigermaßen vernünftig klinge, gebe er weiter an die Beschaffungsstellen in den Gesundheitsministerien in München oder Berlin. Dort würden die Angebote geprüft und gegebenenfalls geordert. Den Transport aus China organisiert im Regierungsauftrag das Logistikunternehmern Fiege: In Lagerhäusern der Firma etwa in Shanghai prüfen Gutachter die Ware, dann geht sie zum Flieger. Es sind teure Geschäfte, in jedem Fall.

Die Preise gingen hoch und runter wie am Goldmarkt, beschreibt es Minister Spahn. Scheuer berichtet, OP-Masken hätten früher drei Cent gekostet, mittlerweile sei man bei mindestens 55 Cent, und: "Ich habe schon 88 Cent gesehen ohne TÜV-Zertifikat, das empfinde ich als Wucher." Die FFP2-Masken stiegen ebenso im Preis. Vor zwei Wochen hätte man noch welche für 2,60 Euro besorgen können. Doch selbst wenn man an die Ware komme, sei der Kauf noch nicht gesichert. "Mir wurde berichtet, dass Händler aus den USA in den Fabriken oder Lagerhallen stehen und Cash zahlen, und dass sie umgerechnet auch fünf Euro pro FFP2-Maske zahlen würden", sagt Scheuer.

Den Vorwurf, dass Scheuer Freunden Geschäfte zuschanzt, nennt er "absurd"

Und kompliziert bleibt es mitunter auch, wenn die Lieferung da ist. Während das Technische Hilfswerk mit der Verteilung der acht Millionen Masken begann, argwöhnten Kritiker, dass da vielleicht Freunde aus Niederbayern ein Geschäft machten. "Absurd", sagt Scheuer zu dem Vorwurf. "Jeder Abgeordnete jeder Partei hilft in dieser Extremsituation mit seinen Kontakten und bekommt zahlreiche Emails mit Angeboten, so lief das auch hier." Probleme zu lösen sei oft kein Hexenwerk, aber das Schönste in der Politik - und den Händler kenne er nur flüchtig.

Der sagte der PNP, er habe einen Preis im unteren Segment berechnet. Er versuche, sagt Scheuer, Material für den Bund zu bekommen und das Land, in dem sein Wahlkreis liegt, zumal Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ihn dazu aufgefordert habe. Wie dringlich die Lage gerade in Bayern sei, hätten ihm der CSU-Landrat berichtet wie auch der SPD-Oberbürgermeister von Passau. Und Scheuer warnt: "Wenn wir selbst in dieser Notlage alles und jeden zu kritisieren versuchen, dann werden sich die Beamten nicht mehr trauen, etwas zu beschaffen, das kanns ja nicht sein."

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SZ vom 11.04.2020/thba
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