SZ: Was schlagen Sie vor?
Dennis Meadows (links, hier auf einem Archivbild mit dem ehemaligen Siemens-Chef Klaus Kleinfeld und Umweltminister Sigmar Gabriel) fordert, weniger zu konsumieren.
(Foto: Foto: Stephan Rumpf)Meadows: Der französische Präsident Nicolas Sarkozy und inzwischen auch andere haben für ein Bretton Woods II plädiert analog zu der in New Hampshire stattfindenden Konferenz während des Zweiten Weltkrieges 1944. Damals trafen sich die politischen Führungskräfte, um über eine neue ökonomische Ordnung zu diskutieren. Das wäre auch heute nach Jahrzehnten der Kurzfristigkeit ein brauchbarer Ansatz, vorausgesetzt, es werden langfristige Weichen gestellt.
SZ: Das klingt, als ob Sie zweifeln.
Meadows: Ich zweifle in der Tat, weil ich nicht glaube, dass sich irgendein verantwortlicher Politiker traut, den Menschen die Wahrheit über unser Wirtschaftssystem zu sagen und die Konsequenzen daraus auch einzufordern und umzusetzen.
SZ: Was ist diese brisante Wahrheit?
Meadows: Der Treiber ökonomischen Wachstums ist der persönliche Konsum. Es geht darum, den Leuten zu vermitteln, dass sie weniger konsumieren müssen. Dann benötigen wir weniger oder auch gar kein Wachstum und sparen Ressourcen und auch Geld. Diese Botschaft ist aber sehr unpopulär. Die Antwort etwa auf teures Öl im Wahlkampf in Amerika ist es, den Leuten zu versprechen, dass man die Steuern auf den Rohstoff senkt, um es billiger zu machen. Die richtige Antwort wäre aber, ihnen zu sagen, dass man die Suche und Forschung zu alternativen Rohstoffquellen unterstützen will und dass sie nun eben mehr zahlen müssen, bis die Alternativen greifen. Wer letzteres sagt, wird nicht gewählt.
SZ: Sie unterstellen also Politikern, dass sie langfristig denken, aber stets kurzfristig handeln.
Meadows: Nicht nur Politikern. Auch die meisten Wirtschaftsführer streben nach kurzfristigem Gewinn, weil er an der Börse honoriert wird und ihre Gehälter dann höher ausfallen. Wer langfristig eine Besserung verspricht, dafür kurzfristig Opfer fordert, etwa in Form von Investitionen, wird in der Regel durch Kursverluste abgestraft. Das würde sich sofort im Gehalt der Verantwortlichen widerspiegeln.
SZ: Nach was sollen die Menschen streben, wenn nicht nach Wachstum?
Meadows: Es gibt mehrere 100.000 Lebensformen auf der Erde. Alle haben gelernt, dass sie im Einklang mit der Natur leben müssen, wenn sie überleben wollen. Es gibt nur eine Ausnahme: der Mensch. Bis vor wenigen Jahren haben wir ja wenigstens Konjunkturschwächen zugelassen, damit sich Systeme neu ordnen oder konsolidieren konnten. Aber auch das ist mittlerweile schon nicht mehr akzeptabel. Wenn wir nicht mehr die Kraft haben, realwirtschaftlich genügend Wachstum zu erzeugen, dann drucken wir den Lohn dafür, also Geld, eben ohne Gegenleistung. Hauptsache es geht weiter aufwärts.
SZ: Was ist die Alternative?
Meadows: Wie gesagt, ein Leben im Einklang mit der Natur. Das geht mittlerweile aber nurmehr über einen Schrumpfungsprozess, nicht mehr über vermindertes Wachstum, wie es noch in den 1970er Jahren möglich gewesen wäre.
SZ: Gibt es Wege, dies zu erreichen?
Meadows: Einen Versuch wäre es wert. Dazu müsste man aber erst einmal alle Entscheider dazu bringen, langfristig zu denken. In der Wirtschaft über entsprechende Entlohnungssysteme, in der Politik über längere Wahlzyklen. In Amerika würde es schon sehr helfen, wenn man nicht bei jedem neuen Präsidenten mehrere tausend Leute in der Verwaltung mit auswechseln würde.
SZ: Was passiert, wenn die Welt so weitermacht wie bisher?
Meadows: Weil wir in einer globalisierten Welt leben, werden dann alle relevanten Systeme ihre Grenzen auf einmal erreichen. Wenn etwa Amerika nicht mehr Energie produzieren kann, wird es diese zu immer teureren Preisen importieren. In China, wo der Grundwasserspiegel vielerorts rapide sinkt, wird immer weniger Landwirtschaft betrieben werden können. Das Land wird also immer mehr Lebensmittel importieren. Als Konsequenz werden in ärmeren Regionen wie Afrika mehr Menschen sterben, weil sie sich das nötigste zum Leben nicht mehr leisten können - eine Lösung des Bevölkerungsproblems, die uns dann aufoktroyiert wird, weil wir uns nicht rechtzeitig darum gekümmert haben.