Analyse der IT-Sicherheit:Computer-Wirtschaftskrieg zum Zuschauen

Sicherheitstacho Telekom

Es passiert fast jede Sekunde: Die Telekom visualisiert im Netz Cyberangriffe.

(Foto: Quelle: sicherheitstacho.eu)

Es passiert jede Sekunde: Eine Website der Telekom dokumentiert Hacker-Attacken im Netz. Die Angriffe kommen vor allem aus Russland, aber auch aus Taiwan und Deutschland.

Von Jannis Brühl

Ob wir uns tatsächlich längst in einem globalen Cyber-Wirtschaftskrieg befinden, müssen irgendwann IT-Historiker erforschen. Aber kleine Gefechte, in denen Computer als Waffen benutzt werden, passieren jede Sekunde. Im neuen "Sicherheitstacho" der Telekom, kann man ihnen praktisch live zusehen: "16:45:03 China. 16:45:01 Russia. 16:45:01 Argentina." Hektisch blinken weinrote Punkte auf einer Weltkarte. Offenbar rollen ständig Angriffswellen.

Das Projekt hat der deutsche Konzern anlässlich der Cebit vorgestellt. 97 digitale "Sensoren" nehmen dafür Hacker-Angriffe weltweit wahr und sammeln sie. Diese Lockvogelsysteme "täuschen Schwachstellen vor, um Angriffe zu provozieren". Die Telekom nennt sie honeypots - Honigtöpfe.

Thomas Kremer, als Vorstand für Datenschutz zuständig, lässt per Pressemitteilung wissen: "Allein die Telekom verzeichnet bis zu 450.000 Angriffe pro Tag auf ihre Locksysteme und die Zahl steigt." Auch wenn die Telekom ihre Erkenntnisse teilt - uneigennützig ist das Projekt wohl nicht. Das Unternehmen will seine Sicherheitsdienstleistungen verkaufen. Ebenfalls zur Cebit verkündete sie eine "strategische Partnerschaft" mit dem US-Unternehmen Symantec, das Sicherheits-Software herstellt.

Das häufigste Wort im ständig aktualisierten Fluss der Angriffsmeldungen: "Russia". Denn die mit Abstand meisten Attacken weltweit kommen von russischen Rechnern. Im Januar waren es der Telekom-Zählung zufolge 2,5 Millionen. Darauf folgt Taiwan mit 900.000 registrierten Aktionen. Deutschland steht mit 780.000 auf Rang drei.

Die Zahlen sind freilich mit Vorsicht zu genießen: Denn erstens nehmen die "Sensoren" der Telekom wohl bei weitem nicht die Gesamtzahl aller Attacken wahr - viele werden nie entdeckt. Vor allem aber müssen die Täter nicht unbedingt aus dem Land kommen, aus dem die Angriffe ihren vermeintlichen Ursprung haben. Sie übernehmen oft Computer in anderen Ländern, um von dort aus Attacken zu starten.

China, oft als aggressivstes Hacker-Land angesehen, steht auf Rang 12 mit knapp weniger als 170.000 Attacken. Erst im Februar zog der detaillierte Bericht einer IT-Firma über ein chinesische Hacker-Truppe weltweite Aufmerksamkeit auf sich, hinter der möglicherweise die chinesische Regierung steht.

Die meisten Attacken richten sich gegen Websites von Unternehmen. Ziele von Hackern können Sabotage oder Betriebsgeheimnisse sein. Eine Million Menschen auf der Welt werden nach Angaben der EU jeden Tag Opfer von Internetkriminalität. Der Schaden beläuft sich jährlich auf rund 290 Milliarden Euro. Allein in Deutschland registrierten die Behörden 2011 rund 60.000 Fälle.

Die russische Hacker-Szene ist dennoch berüchtigt. In dem Staat kann man fast alles an digitalen Angriffsmitteln kaufen oder mieten. Der Markt für Cyberkriminalität floriert. Für ein paar hundert Euro kann man ein Handy von einem mehr oder weniger professionellen Experten hacken lassen, wie die Studie der IT-Sicherheitsfirma Trend Micro im Herbst vergangenen Jahres ergab (PDF).

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