Süddeutsche Zeitung

Koalitionsverhandlungen:Ampel streitet über Provisionen für Lebensversicherungen

Abschaffung von Provisionszahlungen, deren Begrenzung oder ein Festhalten am bisherigen System: Die Ampel-Parteien sind uneins über die Zukunft der Zahlungen an Vermittler.

Von Herbert Fromme, Köln

SPD, Grüne und FDP haben noch erheblichen Einigungsbedarf bei den Koalitionsgesprächen, wenn es um die Provisionen für Lebensversicherungen und andere Verträge für die private Altersvorsorge geht. Die Grünen sind langfristig für die Abschaffung der Provisionen - und für diese Positionen gibt es auch Unterstützung in der SPD. Die FDP will am bisherigen System nicht rütteln. Einig sind sich die Ampel-Koalitionäre dagegen beim Thema Bankenunion.

Die Positionen gehen aus einem Arbeitspapier aus den Verhandlungen zum Thema Finanzmarkt hervor. Es bezieht sich auf den Stand von Mittwoch. Inzwischen haben die drei Parteien möglicherweise schon einige Differenzen ausgeräumt. Das Dokument zeigt, welche Gräben hier überwunden werden mussten und müssen. Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass die Bildung der Koalition an diesen Fragen scheitern würde.

Eine mögliche Option, die von den Ampel-Verhandlern diskutiert wurde, ist der so genannte Provisionsdeckel, also eine Begrenzung der höchstens erlaubten Provisionszahlungen in der Lebensversicherung. Eine solche Regelung war eigentlich von Union und SPD für die vergangene Legislaturperiode geplant und von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) als Gesetzentwurf eingebracht worden, scheiterte aber am Widerstand von Teilen der CDU/CSU.

"Wir wollen Maßnahmen ergreifen, um die Abschlusskosten in der Lebensversicherung abzusenken - insbesondere durch einen Provisionsdeckel", hieß es im Arbeitspapier. Doch die FDP will das nicht mittragen. Stattdessen schlägt sie eine Reform vor: Altersvorsorgeprodukte sollten mit Blick auf das Zinsumfeld reformiert werden, um sie attraktiv und rentabel zu halten. "Gesetzliche Eingriffe in die Vergütungsstruktur, insbesondere einen Provisionsdeckel, halten wir für falsch."

In einigen europäischen Ländern gibt es bereits ein Verbot

Das sehen SPD und Grüne anders. Die Grünen gehen besonders weit, sie wollen die Provisionen langfristig ganz abschaffen. "Wir werden die provisionsbasierte Beratung von Kleinanlegern schrittweise vollständig durch unabhängige Honorarberatung ersetzen und setzen uns auch im EU-Finanzmarktrecht für ein Ende der Provisionsberatung ein."

Die Niederlande, die nordischen Länder und Großbritannien haben bereits so ein Verbot. Doch für den deutschen Finanzmarkt wäre das eine Revolution: Große Vertriebsorganisationen wie DVAG, MLP oder Fondsfinanz leben von hohen Provisionen, die immer die Kunden zahlen. Bei Lebensversicherungen gehen dafür oft fünf oder sechs Prozent der insgesamt vom Kunden zu leistenden Beiträge drauf. Das können mehrere Tausend Euro für einen einzigen Vertrag sein. Die Folge: Die Rendite und damit die private Altersvorsorge für die Kunden wird negativ beeinflusst. Jedes Jahr zahlen die deutschen Lebensversicherer rund sieben Milliarden Euro an Abschlusskosten für Vermittler, 2020 waren es 7,5 Milliarden Euro - und stellen diese Summe ihren Kunden in Rechnung.

Bei der Honorarberatung zahlt dagegen der Kunde den Berater, so wie er auch einen Steuerberater oder Rechtsanwalt zahlt. Allerdings spielt die Honorarberatung angesichts der Konkurrenz durch den vermeintlich "kostenlosen" Provisionsvertrieb kaum eine Rolle. Die Grünen wollen gegensteuern: "Um gleiche Wettbewerbsbedingungen herzustellen, werden wir die Hürden für die unabhängige Honorarberatung abbauen, indem wir eine Honorarordnung etablieren und verpflichtende Nettotarife für alle Produkte einführen." Beim Nettotarif darf der Versicherer keine Provision einrechnen.

Große Einigkeit herrscht dagegen bei den Fragen Bankenunion und Kapitalmarktunion. Die drei Parteien streben an, "die Bankenunion zu vollenden, um die europäische Volkswirtschaft und die globale Wettbewerbsfähigkeit Deutscher und europäischer Institute zu stärken". Und zur umstrittenen Frage der Haftung innerhalb der Bankenunion heißt es, dass eine europäische Rückversicherung für die nationalen Einlagensicherungssysteme geschaffen werden soll. Sollte ein System in einem EU-Land bei einer Pleitewelle überfordert sein, würde dann diese Rückversicherung greifen.

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