Amerikanisches Steuersystem:Schlupflöcher für Steuertrickser

Das amerikanische Steuersystem ist löchrig wie ein Schweizer Käse: Riesige Unternehmen wie General Electric oder Boeing erzielen hohe Gewinne, zahlen jedoch keine Abgaben - und das ganz legal. Die gesetzlichen Regeln lassen jede Menge Ausnahmen zu. Das soll sich ändern, fordern Experten.

Nikolaus Piper, New York

General Electric (GE) war, gemessen am Umsatz, im vergangenen Jahr das sechstgrößte Unternehmen der Vereinigten Staaten. Der Mischkonzern, der auch mit mehreren Tochtergesellschaften in Deutschland präsent ist, erwirtschaftete 2010 einen Gewinn von 11,64 Milliarden Dollar und lag damit innerhalb der USA an 14. Stelle. Steuern allerdings zahlte GE im vergangenen Jahr überhaupt keine.

GE, General Electric

Der milliardenschwere Mischkonzern General Electric hat 2010 überhaupt keine Steuern gezahlt - weil er eine Ausnahmeregel nutzte.

(Foto: AP)

Und GE ist mit dieser Praxis nicht alleine. Unter den 280 profitabelsten Unternehmen Amerikas gingen 78 in mindestens einem der vergangenen drei Jahre steuerfrei aus; 30 bekamen sogar Steuern vom Staat zurück. Der durchschnittliche effektive Steuersatz für die Großkonzerne lag bei 18,3 Prozent und nicht bei 35 Prozent, wie es im Gesetzbuch steht.

Diese Zahlen veröffentlichte die gewerkschaftsnahe Gruppe "Bürger für Steuergerechtigkeit" ("Citizens for Tax Justice, CTJ"). Im Auftrag von CTJ hatte das Institut für Besteuerung und Wirtschaftspolitik in Washington die Geschäftsberichte der 280 Konzerne untersucht. Was die Forscher dabei herausfanden, war demnach keine illegale Steuervermeidung; die Firmen nutzten ganz einfach gesetzliche Ausnahmeregeln, die ihnen zustanden.

Neben GE zahlen auch Boeing, Pepco und PG&E keine Steuern

Zu den Firmen, die nach der Studie keine Steuern zahlen, gehörten, neben GE, der Flugzeughersteller Boeing und große Energiekonzerne wie Pepco, PG&E und El Paso. Hohe Steuersubventionen bekamen, laut CTJ, auch Finanzfirmen wie Wells Fargo, PNC Financial und Goldman Sachs.

Die "Bürger für Steuergerechtigkeit" setzen sich für eine gleichmäßigere Besteuerung in den USA ein. Ihre Zahlen sind nicht unumstritten. So geht aus der Statistik nicht hervor, ob eine Firma in einem Jahr tatsächlich steuerfrei war, oder ob eine Steuerzahlung lediglich ins nächste Jahr verschoben wurde. Auch werden lokale Steuern von Bundesstaaten und Gemeinden nicht erfasst.

Trotzdem zeigen die Zahlen, wie überholungsbedürftig die Unternehmensteuer in den USA ist. Auf der einen Seite hat Amerika mit 35 Prozent den höchsten Körperschaftsteuersatz unter den großen Industrieländern (Deutschland: 15 Prozent), auf der anderen Seite ist das System löcherig wie ein Schweizer Käse.

GE nutzt für Finanztochter Steuer-Ausnahme

Beispiel GE: Der Konzern hat eine starke Finanztochter (GE Capital) und nutzt für die eine spezielle Ausnahmeregelung. Danach bleiben Gewinne, die US-Firmen bei Kreditgeschäften im Ausland erzielen, steuerfrei, während Zinsaufwendungen, die für diese Geschäfte notwendig werden, von der US-Steuer abgezogen werden können. Die Regelung wurde 1986 schon mal abgeschafft, 1997 aber wieder "vorübergehend" eingeführt.

Sie ist ein Beispiel für die Unwägbarkeiten im US-Steuersystem. Der Konzern selbst wehrt sich gegen die Vorwürfe von CTJ. Die Studie sei "ungenau und verzerrt", sagte ein Sprecher. GE habe Milliarden Dollar an US-Steuern während der letzten zehn Jahre gezahlt. "Wir erwarten, dass unser genereller Steuersatz 2011 bei etwa 30 Prozent liegen wird." Auch GE setzte sich für die Schließung von Schlupflöchern im Steuersystem ein.

Großzügige Abschreibungsregeln wirken steuermindernd

Steuermindernd für die großen Konzerne wirken auch die traditionell sehr großzügigen Abschreibungsregeln in den USA. Sie wurden 2008 im Zuge des Konjunkturprogramms von US-Präsident George W. Bush noch einmal verbessert. Andere Firmen nutzen die verschiedenen branchenspezifischen Steuersubventionen - von der Förderung der Öl- und Gassuche über die Stützung von Bioalkohol bis hin zur Förderung von Filmproduktionen. Viele Firmen profitieren auch von der Möglichkeit, Gewinne außerhalb Amerikas zu parken.

Die meisten Experten sind sich einig, dass die USA eine Grundsatzreform der Unternehmensteuer mit niedrigeren Steuersätzen und deutlich weniger Ausnahmetatbeständen brauchen. Im Ergebnis sollen US-Firmen im Wettbewerb mit deutschen, französischen oder chinesischen besser dastehen.

Heftig umstritten ist dabei, was mit Gewinnen passieren soll, die Firmen im Ausland erzielen. Nach geltendem Recht sind die Gewinne so lange steuerfrei, wie sie nicht in die USA zurückholt werden. Etliche Konzerne parken die Gewinne im Ausland. Die Wirtschaftslobby versucht daher zu erreichen, dass Gewinne steuerfrei repatriiert werden können. Gruppen wie CTJ wollen dagegen die Steuerfreiheit ausländischer Gewinne ganz abschaffen.

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