Süddeutsche Zeitung

Wettbewerbspolitik:EU-Kommission wirft Amazon unfaire Tricks vor

Nutzt der Techkonzern andere Händler aus? Die EU-Kommission macht ihren Verdacht nun öffentlich. Die Strafe könnte happig sein.

Von Björn Finke, Brüssel

Das könnte teuer werden: Die Wettbewerbshüter der EU-Kommission werfen dem Onlinehandels-Konzern Amazon vor, seine marktbeherrschende Stellung auszunutzen. Dies teilte die zuständige Vizepräsidentin der Brüsseler Behörde, Margrethe Vestager, am Dienstag mit. Das amerikanische Unternehmen kann nun zu den Vorwürfen Stellung beziehen. Wird der Verdacht nicht ausgeräumt, drohen Strafen von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes. Und der beträgt in dem Fall satte 280 Milliarden Dollar. Gegen so eine Entscheidung ist allerdings Klage möglich.

Die Kommission begann die Untersuchung vor einem Jahr. Der Vorwurf dreht sich darum, dass Amazon selbst Produkte verkauft, aber zugleich eine Internetplattform ist, auf der andere Händler gegen Gebühr Waren offerieren können.

Die EU-Behörde klagt, dass Amazon Geschäftsdaten dieser unabhängigen Händler verwendet, um das eigene Angebot zu optimieren. So weiß der US-Konzern, wie viele Produkte die Unabhängigen über die Amazon-Plattform verkaufen, welche Einnahmen sie haben oder wie oft bestimmte Waren angeklickt werden. Amazon nutze diese "nichtöffentlichen Verkäuferdaten" systematisch, um zum Beispiel seine eigenen Angebote auf diejenigen Waren zu konzentrieren, die am beliebtesten sind - zum Schaden der unfreiwilligen Datenlieferanten, moniert die Kommission.

Vestager sagt, es müsse verhindert werden, "dass Plattformen mit Marktmacht, die auch selbst über die Plattform verkaufen, wie etwa Amazon, den Wettbewerb verzerren". Daten unabhängiger Anbieter dürfe Amazon nicht zum eigenen Vorteil nutzen, "wenn das Unternehmen mit diesen Verkäufern konkurriert". Eine Amazon-Sprecherin wies die Anschuldigungen zurück: "Kein Unternehmen kümmert sich mehr um kleine Händler als Amazon."

Die dänische Wettbewerbskommissarin verdonnerte bereits vor drei Jahren eine andere mächtige Internetplattform - Google - wegen ähnlicher Vorwürfe zu einer Strafe von 2,4 Milliarden Euro. Die Kommission klagte damals, dass Google bei Suchanfragen nach Produkten den eigenen Shoppingdienst sehr prominent auf den Ergebnislisten zeige, während andere Preisvergleichsseiten erst deutlich weiter unten auftauchen. Auch hier soll also eine Plattform ihre marktbeherrschende Stellung ausgenutzt haben, zulasten unabhängiger Anbieter. Die Google-Mutter Alphabet legte freilich Widerspruch ein; das Verfahren vor dem EU-Gericht in Luxemburg begann im Februar.

Ein neues Gesetz soll solche Taktiken von vorneherein verbieten

In drei Wochen werden Vestager und der französische Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton einen Gesetzesvorschlag präsentieren, der Plattformen wie Google und Amazon solche Taktiken von vorneherein verbieten soll. Denn dieses mit Spannung erwartete Gesetz für Digitalmärkte wird sogenannten Gatekeepern oder Pförtnern Verhaltensvorschriften machen.

Als Pförtner gelten Webangebote, die so mächtig sind, dass sie für viele Kunden Eingangstor und Wegweiser zum Internet oder zum Online-Einkauf sind. Außerdem würde der Gesetzentwurf der Kommission erlauben, Onlinemärkte ständig zu analysieren und vorsorglich einzugreifen, wenn die Gefahr besteht, dass ein Anbieter zu mächtig wird und sich in einem bestimmten Bereich zum Pförtner mausert.

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