Süddeutsche Zeitung

Amazon und Co:Mächtige Manager attackieren US-Gesundheitssystem

  • Warren Buffet, Jeff Bezos und Jamie Dimon wollen eine eigene Krankenkasse gründen.
  • Die drei Manager halten das bisherige System für ineffizient und überteuert.
  • Die Fakten geben ihnen teilweise recht. Die Kosten des US-Gesundheitssystems sind deutlich höher als in anderen Staaten.

Von Kathrin Werner, New York

Drei der mächtigsten Männer der amerikanischen Wirtschaft, ja der gesamten Welt, wollen das überteuerte US-Gesundheitssystem gemeinsam durcheinanderwirbeln: Jeff Bezos, Gründer und Chef von Amazon, Warren Buffett, legendärer Investor und Chef der Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway, und Jamie Dimon, Chef der größten amerikanischen Bank JP Morgan Chase. Das Triumvirat will eine eigene Krankenkasse gründen - zunächst nur für die Mitarbeiter der eigenen Unternehmen. "Die aufgeblähten Kosten der Gesundheitswirtschaft in den USA wirken wie ein hungriger Bandwurm in der amerikanischen Volkswirtschaft", sagt Investor Buffett.

Kein Land der Welt gibt so viel für sein Gesundheitssystem aus wie die USA - pro Einwohner sind die Kosten beinahe drei Mal so hoch wie im Durchschnitt anderer Industrieländer. Gleichzeitig sinkt die Lebenserwartung der Amerikaner. Sie ist sogar niedriger als in Costa Rica oder Slowenien. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat erst vor wenigen Tagen eine Studie herausgegeben, die zeigt, dass amerikanische Neugeborene deutlich häufiger im ersten Lebensjahr sterben als in anderen Industrieländern.

Hätten die USA in den vergangenen 50 Jahren mit den medizinischen Verbesserungen in 19 vergleichbaren OECD-Ländern mitgehalten, hätten rund 300 000 amerikanische Babies überleben können. Eine eigene Forschungseinrichtung der Bank JP Morgan hat Ende 2017 berechnet, dass die Gesundheitskosten in den USA bis 2025 schneller steigen werden als das Bruttoinlandsprodukt. Zwischen den Jahren 2000 und 2015 seien sie bereits um 18 Prozent gewachsen.

Das neue Unternehmen, das die drei Firmenchefs gemeinsam gründen wollen, soll ohne Gewinnabsicht arbeiten - anders als die großen amerikanischen Krankenversicherungen, die zu den größten Konzernen der USA zählen. Die neue Krankenkasse soll sich zunächst um technische Lösungen bemühen, die Gesundheitskosten senken und das gesamte verflochtene System von Krankenhäusern, Ärzten, Apotheken, Versicherern und Pharmakonzernen transparenter machen. Das soll auch die Zufriedenheit der Patienten erhöhen.

Details zu den Plänen sowie zum Budget sind noch nicht bekannt. Banker Dimon wies allerdings auf die "außergewöhnlichen Ressourcen" hin, die den drei Unternehmen gemeinsam zur Verfügung stünden. Zusammen haben die Firmen rund 900 000 Mitarbeiter weltweit, darin eingerechnet sind all die Unternehmen, die zu Buffetts Imperium gehören, darunter BNSF Railway und Fruit of the Loom.

"Das könnte eine große Sache sein", sagte Ed Kaplan der New York Times. Kaplan ist ein bekannter Gesundheitsexperte und verhandelt bei der Unternehmensberatung Segal Group im Auftrag von großen Arbeitgebern die Krankenkassen-Policen für ihre Mitarbeiter. "Das sind drei große Spieler. Und ich denke, dass sie einen großen Einfluss haben werden, wenn sie in den Krankenversicherungsmarkt einsteigen." Die alten Versicherer seien enorm ineffizient, was zum Beispiel dazu führe, dass Patienten viel zu oft in die Notaufnahmen der Krankenhäuser gehen statt zum Arzt.

Die drei Wirtschafts-Promis sind bekannt für ihre Hartnäckigkeit

Für die amerikanischen Krankenkassen, die sich in den vergangenen Jahren mit neuen Rahmenbedingungen zum Beispiel durch Bundesgesetze wie Obamacare auseinandersetzen mussten, bedeutet die Initiative neue Konkurrenz aus einer neuen Ecke. Die Aktienkurse der Versicherer reagierten prompt auf die Meldung. Der Kurs von United Health sank vor Handelsbeginn um fünf Prozent, der Kurs des Versicherers Anthem um 3,5 Prozent.

Die drei Wirtschafts-Promis sind bekannt für ihre Hartnäckigkeit. Das gilt insbesondere für Amazon-Chef Jeff Bezos und seinen Willen, alte Branchen aufzubrechen - vom Buchhandel bis zu den Supermärkten. Die Gesundheitswirtschaft ist allerdings eine besondere Herausforderung, schließlich geht es um Menschenleben, außerdem ist die Politik bei dem Thema stark involviert. "Das Gesundheitssystem ist komplex und wir gehen diese Herausforderung mit offenen Augen hinsichtlich ihrer Schwierigkeit an", sagte Bezos. Trotz aller Schwierigkeiten, werde es sich lohnen, "die Bürde zu senken, die die Gesundheitswirtschaft für die Volkswirtschaft bedeutet, und die Lage der Mitarbeiter und ihrer Familien zu verbessern."

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