Amazon hat es wahr gemacht und in den USA einen Online-Shop gestartet, der mit Temu konkurrieren soll, der chinesischen Billig-Plattform. Temu ist einer der am schnellsten wachsenden Anbieter im Einzelhandel. Amazon Haul ist seit Mittwoch in den USA verfügbar. Der Service verbindet günstige Preise mit längeren Lieferzeiten. Für die Nutzung müssen Kundinnen und Kunden die App des US-Konzerns herunterladen. Die Einkäufe sollen innerhalb von ein bis zwei Wochen geliefert werden. Das Unternehmen erhebt eine Versandgebühr von 3,99 US-Dollar. Sie entfällt für Bestellungen von mehr als 25 US-Dollar.
Auch für Haul soll die üblicherweise von Amazon gegebene Produktgarantie gelten. Für jeden Artikel, den ein Kunde nicht behalten möchte, sagte eine Sprecherin, biete Amazon innerhalb von 15 Tagen nach Lieferung kostenlose Rücksendungen für alle Amazon Haul-Einkäufe über 3,00 US-Dollar an.
Im Angebot hat Haul vor allem Kleidung, Haushaltswaren, Schmuck und Elektronik, etwa einen Viererpack Weihnachtssocken für 6,98 US-Dollar oder eine iPhone-Hülle für drei US-Dollar. Eine Sprecherin sagte, alle Artikel kosteten 20 US-Dollar oder weniger, wobei die meisten zehn US-Dollar und darunter kosten, einige Artikel sogar nur einen US-Dollar.
In Deutschland ist der Direktversand aus China unmittelbar nicht geplant. Amazon teilte dazu mit, „wir werden auf unsere Kunden hören, wenn wir eine weitere Expansion in Betracht ziehen“. Es handelt sich demnach zunächst nur um ein Angebot in den USA, wo Temu besonders stark ist. Es ist das erste Mal in der gut 20-jährigen Geschichte des US-Händlers, dass er eher als Getriebener denn als Treiber im Handel agiert.
Das in Seattle ansässige Unternehmen hatte Anfang des Jahres damit begonnen, in China ansässige Verkäufer für den Dienst zu gewinnen. Amazon senkte auch die Gebühren für Händler, die über die Plattform billige Kleidung verkaufen.
Der E-Commerce-Unternehmer Alexander Graf sieht die Pläne des US-Konzerns kritisch: „Was Amazon vorhat, ist nur eine Komponente des Erfolgsmodells von Temu“, sagte er der SZ im Juni, als die Pläne bekannt geworden waren. Die wichtigere Herausforderung sei eher, dass Amazon es schafft, mehr Nachfrage auf der eigenen Plattform zu erzeugen. Doch darauf fehle noch die Antwort.
Temu nutzt wie die chinesischen Plattform Shein Schlupflöcher, um chinesische Waren direkt vom Händler per Flugzeug in die USA und nach Europa zu schicken. Zwei Milliarden Sendungen waren es 2023 allein in Europa. Sie kommen meist zollfrei in den Niederlanden oder Belgien an, um von dort unter anderem nach Deutschland transportiert zu werden. Beide chinesischen Unternehmen stehen wegen dieser Vorgehensweise unter politischem Druck, und zwar sowohl in der EU als auch in den USA. Sie gilt als wettbewerbsverzerrend und umweltschädlich. Teils entspräche die Ware nicht den EU-Sicherheitsstandards.