Amazon:Steuerbetrug? Finanzamt geht gegen chinesische Amazon-Händler vor

Lesezeit: 2 Min.

Amazon-Kisten vor der Auslieferung. (Foto: REUTERS)
  • Die Behörde beschlagnahmt Waren und Konten von Verkäufern aus Asien.
  • Es geht um Umsatzsteuerbetrug. Insgesamt entgehen dem Staat so eine Milliarde Euro pro Jahr.
  • Amazon wehrt sich gegen den Vorwurf, die Delikte zu dulden.

Von Cerstin Gammelin, Christoph Giesen und Michael Kläsgen, München

Das Finanzamt in Neukölln hat die Lagerbestände und Guthaben von chinesischen Händlern auf Amazon.de beschlagnahmt und deren Händler-Konten auf der Plattform gesperrt. Zuvor hatte Amazon Deutschland die betreffenden Händler angeschrieben und angedeutet, der deutsche Fiskus könnte gegen Umsatzsteuerbetrüger vorgehen, berichteten chinesische Medien. Der Bericht verursachte offenbar Panik unter chinesischen Händlern. Es soll zu gegenseitigen Denunziationen kommen, weshalb die Steueraffäre weitere Kreise ziehen könnte.

In dem Berliner Finanzamt müssten sich eigentlich alle Onlinehändler registrieren, die von China aus Waren nach Deutschland verkaufen. Doch offensichtlich tun das nur wenige. Auf Amazons deutschem Marktplatz und bei Ebay sollen sich bis zu 6000 chinesische Anbieter tummeln, berechnete Blogger Mark Steier, früher auf Ebay selbst als "Platin-Powerseller" tätig. Tatsächlich sollen aber gerade mal 432 Online-Händler mit Sitz in der Volksrepublik und Hongkong umsatzsteuerlich in Neukölln registriert sein. Das heißt allerdings noch nicht, dass sie auch alle Steuern zahlen. Mehr als 90 Prozent der Anbieter können demnach keine deutsche Umsatzsteuer-Nummer vorweisen. Deren Umsätze fließen bisher sicher steuerfrei am Fiskus vorbei. In Neukölln versuchen sich neun Finanzbeamte daran, in detektivischer Kleinarbeit die Sünder aufzutreiben.

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Dem Staat entgehen durch Umsatzsteuerbetrug schätzungsweise Einnahmen von bis zu einer Milliarde Euro pro Jahr. Tendenz steigend. Die Deutschen kaufen immer mehr Waren im Internet ein; die Online-Einkäufe an Weihnachten brachen alle Rekorde. Die meisten davon wurden über Amazon.de abgewickelt. Der Konzern hat im Internet ein Monopol und weiß um den massiven Umsatzsteuerbetrug.

Doch er schert sich wenig darum. Bereits 2016 geriet Amazon Deutschland ins Visier der Fahnder. Damals durchsuchten die Ermittler mehrere Logistikzentren und die Deutschland-Zentrale in München. Es bestand der Verdacht auf Umsatzsteuerbetrug, nicht jedoch von Amazon selbst. Der Konzern meidet zwar nach Möglichkeit, Steuern in Deutschland zu zahlen, Umsatzsteuerbetrug wird ihm aber nicht vorgeworfen, sondern nur manchen Marktplatz-Händlern. Deswegen steht Amazon in Verdacht, die illegale Praxis wenigstens zu dulden.

Eine Freigrenze wird ausgenutzt

Das Unternehmen weist den Vorwurf zurück. Der Versandhändler argumentiert, die Händler müssten die Umsatzsteuer selbst abführen. Manche Juristen sehen darin schlimmstenfalls Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Doch auch das ficht Amazon nicht an. Trotz der Razzia vor anderthalb Jahren hat Amazon bisher nichts an seiner laxen Herangehensweise geändert. Der US-Konzern argumentiert, Händler seien "als eigenständige Unternehmen selbst verpflichtet, ihre steuerrechtlichen Pflichten zu erfüllen". Amazon habe keine Befugnis, deren Steuerangelegenheiten zu überprüfen, sagt ein Sprecher. Der Konzern reagiere nur, wenn "wir Informationen erhalten, dass ein Verkäufer seinen steuerrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommt". Das heißt: Amazon handelt nur, wenn die Fahnder den Betrug ohnehin aufgedeckt haben. Und auch dann wendet der Konzern nur "Prozesse" an, um dem Betrug zu begegnen, prüft aber nicht jeden Einzelfall. Das wäre viel aufwendiger und dem Konzern wohl zu kostspielig.

Der Zustand fordert den Gesetzgeber. "Plattformbetreiber müssen mit in die steuerliche Haftung", sagt der Chef der deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler. Die Länderfinanzminister wollen in diesem Frühjahr ein Gesetz vorschlagen, das vorsehen soll, Portale wie Amazon.de in die Haftung zu nehmen; früher als es die EU bislang plant. In Europa ist der Import von Waren mit einem Wert von bis zu 22 Euro bisher umsatzsteuerfrei. Diese Freigrenze wird oft ausgenutzt, indem ein niedrigerer Warenwert deklariert wird. Die EU-Finanzminister beschlossen daher, den Schwellenwert 2021 zu kippen. Außerdem soll der Plattform-Betreiber bei der Umsatzsteuer wie ein Verkäufer der Waren behandelt werden. Damit ist die Plattform für die korrekte Zahlung der Steuer in der Pflicht. Derzeit können Behörden oft niemanden für die Zahlung haftbar machen. Die Händler sind im Nicht-EU-Ausland meist nicht greifbar. Aus Sicht des deutschen Handelsverbandes (HDE) sorgen die neuen Regeln international für mehr Fairness. HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth sagt: "Wer hierzulande Ware verkauft, muss auch die korrekte Umsatzsteuer dafür bezahlen. Nur so funktioniert im Handel ein fairer Wettbewerb. Die ehrlichen Steuerzahler unter den Unternehmen dürfen nicht die Verlierer sein."

© SZ vom 05.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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