Nach heftiger Kritik durch Konzerne wie Amazon will die Westküsten-Metropole Seattle ihre erst vor einem Monat eingeführte Obdachlosen-Steuer wieder abschaffen. Die Mitglieder des Stadtrats sprachen sich am Dienstag mit großer Mehrheit dafür aus, die sogenannte Head-Tax aufzuheben.
Mit den Einnahmen von mehr als 50 Millionen Dollar wollte die Stadt ursprünglich die vergleichsweise hohe Obdachlosigkeit in der Stadt bekämpfen und mehr sozialen Wohnungsbau ermöglichen. Durch eine Abschaffung werde allerdings ein kostspieliger politischer Zwist vermieden, heißt es in einer Erklärung, in der Seattles Bürgermeisterin Jenny Durkan die Entscheidung begründet.
Unternehmen wie Amazon und Starbucks hatten sich vehement gegen die zusätzliche Abgabe gewandt und mit einem Referendum über die Steuer gedroht. Amazon ist der mit Abstand größte Arbeitgeber in der Stadt. Um Druck auszuüben, hatte das Unternehmen Baupläne für einen weiteren neuen Büroturm gestoppt und gedroht, ein bereits im Bau befindliches Riesenhochhaus erst gar nicht in Betrieb zu nehmen. Der Versandhändler sucht derzeit nach einem Standort für ein zweites Hauptquartier in Nordamerika. In Seattle gibt es die Befürchtung, das Jobs in andere Städte abwandern könnte.
Die Mieten in Seattle sind drastisch gestiegen
Die Rücknahme der Entscheidung zeigt auch, wie viel politischen Einfluss einige Tech-Konzerne durch ihre schiere Größe besitzen. Amazon hat Seattle einen höheren Wohlstand gebracht, die Arbeitslosigkeit ist in der Stadt extrem niedrig. Doch viele arme Menschen profitieren davon nicht - im Gegenteil. Durch Konzerne wie Amazon, die Zehntausende gutverdienende Angestellte in die Stadt gelockt haben, sind die Mieten in der Stadt deutlich gestiegen - seit 2011 um knapp 60 Prozent. Mehr Wohnungslose leben lediglich in den wesentlich größeren Städten New York und Los Angeles. 2017 starben in Seattle 169 Obdachlose, mehr als je zuvor.
Die Head-Tax sollte für Unternehmen gelten, die pro Jahr mindestens 20 Millionen Dollar in der Stadt erwirtschaften. Fällig wären 26 Cent pro Mitarbeiter und Arbeitsstunde gewesen. Für Amazon hätte dies zusätzliche 20 bis 30 Millionen Dollar an lokaler Steuerlast bedeutet.