Süddeutsche Zeitung

Amazon lässt Kalifornier abstimmen:Wollen Sie Steuern zahlen?

Wer in den USA im Internet bestellt, zahlt keine Sales Tax. Kalifornien will nun mit einem Amazon-Gesetz eine Art Mehrwertsteuer erheben. Der Online-Händler wehrt sich dagegen: mit einer Volksabstimmung.

Bastian Brinkmann

Wer als Deutscher in den USA zum ersten Mal shoppen geht, erlebt eine Überraschung. Beim Bezahlen an der Kasse kommt auf jedes Hemd, jede Bluse und jede Reiswaffel noch eine Steuer: die Sales Tax, vergleichbar mit der Mehrwertsteuer.

Das Preisschild im Laden zeigt meist nur den Netto-Preis an, und so entpuppt sich manches vermeintliche Schnäppchen bei der Kasse als gar nicht mehr so günstig. Außerdem sind die Steuern nicht einheitlich: Jeder Bundesstaat setzt die Sales Tax selbst fest, hinzu kommen noch lokale Aufschläge. Die Höhe schwankt also, zwischen null Prozent in manchen Gemeinden Alaskas bis beispielsweise fast neun Prozent in New York City.

Einige Händler können jedoch ihren Kunden Preise ohne Sales Tax bieten - und das landesweit: Online-Händler wie Amazon. Ohne physische Präsenz greift die Steuer der Bundesstaaten nicht. Ein phantastischer Preisvorteil.

Doch die klammen US-Gouverneure wollen nicht länger auf diese potentiellen Einnahmen verzichten. Kalifornien hat gerade ein Gesetz verabschiedet, dass Online-Händler verpflichtet, eine Sales Tax zu kassieren und abzuführen. 200 Millionen Dollar soll das bringen - Geld, das dringend benötigt wird. Im Haushalt des Bundesstaates klafft ein Loch von etwa zehn Milliarden Dollar.

Das Ziel ist klar: Die Freihandelszone Internet soll abgeschafft werden, auch andere Bundesstaaten wollen jetzt wie Kalifornien eine Steuer erheben. Der Internethändler aber setzt sich zur Wehr. In vielen Staaten ist der Konzern vor Gericht gezogen, in Kalifornien will er nun sogar mit einer Volksabstimmung erreichen, dass das neue Gesetz wieder zurückgenommen wird.

Das Unternehmen verteidigt sein Vorgehen. "In einer Phase, in der viele Unternehmen Kalifornien verlassen, muss die Politik Unternehmen ermutigen, nicht wegschicken", zitiert die New York Times einen Sprecher von Amazon. Beim Referendum gehe es nicht um Amazon, sondern um Jobs und Investitionen in Kalifornien.

Ein Sprecher von Gouveneur Jerry Brown konterte: "Amazon sollte weniger mit Klagen drohen, weniger Unterschriften sammeln und mehr Zeit in den Handel stecken."

Amazon muss 434.000 Unterschriften sammeln, damit es zu einem Referendum kommt. Kalifornien hat eine lange Tradition an direkter Demokratie. Meist setzt sich in den Abstimmungen jedoch die Seite durch, die am meisten Geld für ihre Kampagne einsetzen kann. Nicht idealistische Aktivisten stehen sich für Unterschriften die Beine in den Bauch, sondern Menschen, die dafür bezahlt werden und höchst professionell Signaturen sammeln. Der Economist schrieb unlängst, die Unterschriften-Sammler in Kalifornien seien eine eigene Industrie geworden.

Eine nationale Steuer auf Internetkäufe würde Milliarden bringen

Natürlich zahlt Amazon auch Mehrwertsteuer - aber nur in jenen Bundesstaaten, in denen der Konzern physisch durch eine Niederlassung präsent ist und auch dann nur für jene Kunden in dem jeweiligen Staat.

Andere US-Bundesstaaten, in denen der Konzern keine Niederlassung hat, wollen Amazon deshalb nun über sein Vertriebssystem in die Pflicht nehmen. Denn der Konzern bekommt viele Kunden über andere Webseiten, die dafür eine Provision kassieren. Um keine Steuer abführen zu müssen, weigert sich der Händler jetzt, die Provision zu bezahlen, um offiziell keine Geschäftsbeziehung aufzubauen. Das trifft viele Webseiten-Betreiber hart, ihnen fallen wichtige Einnahmen weg. Hier ist eine Übersichtskarte, wie Amazon sich im jeweiligen Bundesstaat verhält.

Angesichts der US-Schuldenkrise wird nun in Washington diskutiert, ob nicht eine nationale Sales Tax für das Internet eingeführt werden soll. Einer Studie der University of Tennessee zufolge gehen wegen der virtuellen Freihandelszone 2011 etwa zehn Milliarden Dollar an Steuereinnahmen verloren.

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