Es war die Zeit, als viele sich über ein Gerät mit dem Internet verbanden, das ein grässliches Gepiepse und Gepfeife von sich gab, Daten aber nur langsam auf den Computer holte. Es war die Zeit, in der die junge wie brillante Marissa Mayer bei Google dekretierte, die Startseite dürfe nicht mehr Daten enthalten als 30 Kilobytes. Was die Homepage sogar mit den Pieps-Modems rasend schnell machte. Und es war die Zeit, als ein ebenso brillanter junger Elektrotechniker und Informatiker den Plan fasste, nichts Geringeres aufzubauen als das größte Handelsunternehmen der Welt: Amazon.
Allein der Name von Jeff Bezos' Unternehmen jagt heute Händlern vieler unterschiedlicher Branchen Angst und Schrecken ein. Aber viele dieser Firmen, die heute über die Konkurrenz durch den Internethändler klagen, haben es selber versäumt, ein ähnlich gutes Angebot im Internet aufzubauen, hatten Angst, sich ihr Geschäft kaputt zu machen. Oder auch ganz einfach keine Ahnung, was da auf sie zukam.
Noch ist Amazon zwar nicht das größte Handelsunternehmen, aber der größte Online-Händler der Welt. Was man noch nicht bei der Online-Plattform kaufen kann, lässt sich leichter aufzählen als umgekehrt, aber nicht nur das: Der Konzern mit Sitz in Seattle im Nordwesten der USA ist auch einer der größten Anbieter von Cloud-Dienstleistungen - also von Speicher- und Rechenkapazität in Rechenzentren. Amazon ist mit seinen Kindle-Tablets und E-Readern ein bedeutender Hersteller von Elektronik-Artikeln, Amazon verkauft und vermietet Musik und Filme.
"Normalerweise kann außerhalb von Petrischalen nichts so schnell wachsen"
Firmengründer Bezos hatte einen Führungsjob bei der einer Wall-Street-Firma. Aber da war dieses Internet und da war diese Zahl: Um 2300 Prozent war die Nutzung des Netzes in nur einem Jahr gestiegen, seit es Browser-Software auch Nicht-Experten erlaubte, das World Wide Web komfortabel zu benutzen. "Normalerweise kann außerhalb von Petrischalen nichts so schnell wachsen", resümierte Bezos später einmal, Menschen könnten ein solches exponentielles Wachstum nicht gut begreifen. Er aber erkannte: Etwas, das so schnell wächst, "ist heute noch unsichtbar und morgen schon allgegenwärtig."
In seiner systematischen Art suchte sich Bezos als erstes Geschäftsfeld aus: Bücher. Leicht zu beschaffen, keine große Konkurrenz, gut zu versenden. Wie aber würde er Menschen dazu bringen, statt wie gewohnt im Buchladen zu kaufen, bei seiner Firma zu bestellen? Dass er Millionen Bücher anbieten konnte, während ein stationärer Händler es bestenfalls auf ein paar Hunderttausend brachte, das allein hätte nicht gereicht. Es musste noch etwas anderes her: Service. Die Seiten von Amazon.com mussten einfach zu verstehen sein, mussten den Kunden die Furcht nehmen, dass da irgendetwas passieren würde, das sie gar nicht wollten. Und selbst wenn, musste man das immer noch einfach und komfortabel regeln können.
Service auch unter der Oberfläche
Es ist kein Wunder, dass seine Firma immer wieder als Beispiel dafür genannt wurde, wie man eine gute Shopping-Webseite macht, zum Beispiel in dem Web-Design-Klassiker "Don't make me think" von Steve Krug aus dem Jahr 2000. Schon in den frühen Jahren kam man auf den Seiten des Internet-Buchhändlers selten ins Grübeln. Der nächste Schritt war immer erkennbar und wurde oben auf der Seite auch angezeigt, so dass man wusste: Drei Klicks noch, dann ist es geschafft.
In der Anfangszeit wurde die Seite täglich angepasst, Bilder enthielt sie kaum, weil man verhindern wollte, dass den Kunden das Laden der Seite zu lange dauern würde. Später führte man die viel kopierten Navigations-Reiter ein, mit denen man auf einfache Weise zwischen den einzelnen Bereichen wählen konnte. Heute sieht die Seite wieder ganz anders aus, aber mittlerweile haben auch die meisten Nutzer schnellere Internetverbindungen.
Amazon findet nicht nur an der Oberfläche der Webseite statt, sondern auch darunter: Anfangs schrieben sich die ersten Amazon-Mitarbeiter ihre Software selbst, weil es die Programme noch gar nicht gab, die sie sich vorstellten, heute verwendet man Standard-Datenbanken und gewaltige Rechenzentren, in denen man nicht bloß speichert, wer wann was bestellt hat. Es wird auch minutiös erfasst, wie sich die Besucher durch die Seiten klicken. Mit dem Ziel natürlich, Daten zu sammeln. Damit kann man dann zielgerichtete Werbung auf anderen Seiten schalten, beispielsweise um einen Kunden daran zu erinnern, dass er sich gestern doch eine Kamera angesehen hat.
Manch einen mag es grausen, aber die meisten fühlen sich gut aufgehoben bei dem Internethändler und seinem Rundum-Wohlfühl-Service. Darüber, wie es den Arbeitern in den Auslieferungslagern geht, über die Handelspartner, deren Preise Amazon drückt, und so einiges mehr - darüber ist damit aber nichts gesagt.