Amazon-Bewertungen:Fünf Sterne für diesen Text. Mindestens!

Lesezeit: 4 Min.

Was auf Amazon gefällt, fällt bei der Stiftung Warentest oft durch. (Foto: REUTERS)
  • Amazon-Rezensionen weichen oft drastisch vom Urteil der Stiftung Warentest ab.
  • Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler der TU Dortmund, die Bewertungen von rund 1300 Elektronikprodukten verglichen haben.
  • Viele Hersteller versuchen, positive Amazon-Rezensionen zu kaufen.
  • Dennoch können Online-Bewertungen hilfreich sein, wenn man weiß, worauf man achten muss.

Von Simon Hurtz

Fast 1500 Menschen sind sich weitgehend einig: Wer sein Haus mit einer Kamera überwachen will, trifft mit der Instar IN-6014HD eine gute Wahl. Fast drei Viertel der Amazon-Rezensenten vergeben fünf Sterne, nur fünf Prozent strafen das Produkt mit einem oder zwei Sternen ab. Das ergibt eine Durchschnittsnote von 4,5 Sternen - und damit eine klare Kaufempfehlung.

Die Stiftung Warentest sieht das ganz anders. 2017 verglichen die Tester 16 Überwachungskameras für den Innen- und Außenbereich. Beide Instar-Geräte landeten mit der Note "Mangelhaft" auf dem letzten Platz. Die Kameras seien anfällig für Hacker, kontaktierten Internetserver in China und stellten Benutzername und Passwort unverschlüsselt ins Netz. In den Kundenbewertungen auf Amazon findet sich davon nichts: Den meisten negativen Berichte liegen Defekte oder technische Probleme zugrunde.

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4,5 Sterne auf Amazon, eine Schulnote von 5,0 bei der Stiftung Warentest: Was nach einem Ausreißer klingt, kommt häufig vor. Wissenschaftler der Technischen Universität Dortmund haben die Bewertungen von Hobbyrezensenten und Profitestern analysiert. Ihr Fazit: Amazon-Bewertungen sind bei vielen Produkten ungeeignet, um eine Kaufentscheidung zu treffen. Die Ergebnisse der Warentester unterscheiden sich oft drastisch von den Online-Rezensionen.

Für ihre Untersuchung haben die Forscher knapp 2500 Elektronikprodukte zusammengetragen, welche die Stiftung Warentest zwischen 2014 und 2017 bewertet hat. Rund die Hälfte davon wurde auf Amazon mindestens fünf Mal rezensiert. In weniger als einem Drittel der Fälle erhielt der Testsieger der Stiftung Warentest die besten Kundenbewertungen. Insgesamt ist die Korrelation mit einem Wert von 0,18 äußerst gering (0 steht für keinerlei Übereinstimmung, 1 für deckungsgleiche Resultate). Je länger der Test zurückliegt, desto größer fällt die Abweichung aus. In einigen Produktgruppen waren die Werte sogar negativ: Was auf Amazon gefällt, fällt bei der Stiftung durch - wie die Instar-Kamera.

Online-Rezensenten sind oft emotional, die Stiftung Warentest ist objektiv

Bis zu einem gewissen Grad lässt sich die teils große Diskrepanz erklären. Wer eine Online-Bewertung abgibt, hat meist eine klare Meinung: Das Produkt macht große Freude oder großen Ärger. Abwägende Drei-Sterne-Bewertungen sind auf Amazon selten, ein Großteil der Rezensenten lobt oder schimpft. Im Labor ist die Verteilung genau umgekehrt: Wenige Produkte sind perfekt oder ungenügend, dafür gibt es ein breites Mittelfeld.

Außerdem erfassen die professionellen Tester viele Kriterien, die normale Käufer gar nicht überprüfen können. Sie schneiden Kopfhörer auf und untersuchen sie auf krebserregende Substanzen, beauftragen externe Ingenieure, um die elektrische Sicherheit von Haarglättern zu beurteilen, oder analysieren die Datenströme von Überwachungskameras.

Hinzu kommt, dass die Stiftung Warentest zwar wissenschaftliche Tests macht, die Endnote aber nur eingeschränkte Aussagekraft hat. Manchmal werten die Tester Produkte ab, weil die Deklaration auf dem Etikett falsch ist oder Grenzwerte für bestimmte Schadstoffe knapp überschritten werden. Für manche Nutzer mag es wichtig sein, ob das Smartphone den Falltest in der Metalltrommel unbeschadet übersteht. Andere stecken ihr Handy in eine Hülle und legen mehr Wert auf die Qualität der Kamera, die bei der Stiftung Warentest nur 15 Prozent der Gesamtnote ausmacht. Deshalb ist es sinnvoll, die Testberichte differenziert zu betrachten: Ein gutes oder befriedigendes Gerät kann für die eigenen Ansprüche besser geeignet sein als ein Produkt mit sehr guter Gesamtbewertung.

Hersteller versuchen, sich positive Fake-Bewertungen zu kaufen

Es gibt aber noch weitere Gründe für die teils auffälligen Meinungsverschiedenheiten zwischen Amazonkäufern und Stiftungstestern. Die haben weniger mit unterschiedlichen Maßstäben zu tun als mit krimineller Energie. Fast alle potenziellen Käufer lesen Online-Rezensionen und orientieren sich daran. Das ruft Betrüger auf den Plan. Manche Hersteller erstatten nach Fünf-Sterne-Bewertungen den Kaufpreis zurück, teils zahlen sie Geld für Kaufempfehlungen.

Amazon betont, dass es "erhebliche Summen" investiere, "um die Glaubwürdigkeit der Bewertungen auf unserer Webseite zu schützen". Es gebe klare Teilnahmebedingungen für Rezensenten, die von menschlichen Prüfteams und automatisierten Systemen kontrolliert würden. Doch trotz dieser Maßnahmen decken Verbraucherschützer immer wieder systematischen Betrug auf, und Amazon löscht Zehntausende Fake-Bewertungen.

Auch deshalb hat Amazon ein eigenes Modell entwickelt, um die Gesamtbewertung eines Produkts zu berechnen. Die Anzahl der Sterne entspricht nicht dem Durchschnitt aller Rezensionen. Vielmehr vertraut Amazon auf maschinelles Lernen und berücksichtigt unterschiedliche Faktoren. Dazu zählen das Alter der Bewertung und die Beurteilung anderer Nutzer: Wenn viele Kunden eine Rezension für nützlich halten, wird die entsprechende Kritik höher gewichtet. Das wissen aber natürlich auch die Betrüger und versuchen, das System trotzdem zu manipulieren.

So nutzen Sie Online-Bewertungen richtig

Dennoch können Kunderezensionen hilfreich sein - wenn man weiß, wie man sie richtig nutzt. Grundsätzlich gilt, dass bei Jubelarien Vorsicht angebracht ist. Manchmal zahlen konkurrierende Unternehmen für Verrisse, deutlich häufiger werden aber Fünf-Sterne-Bewertungen gekauft. Wenn mehrere Nutzer dieselben Mängel beschreiben, deutet das auf eine reale Schwachstelle hin. Hier hilft es, die Rezensionen zu filtern. Dafür bietet Amazon nach einem Klick auf "Alle Rezensionen" die Auswahloption "Alle kritischen" an. Wer sich für bestimmte Eigenschaften interessiert, kann die Kommentare auch gezielt durchsuchen.

Um die Glaubwürdigkeit einer Bewertung zu beurteilen, kann es helfen, sich das Profil des Rezensenten anzusehen. Wer Dutzende Überwachungskameras bewertet, hat entweder ein außergewöhnliches Hobby oder finanzielle Motive. Manchmal ist es sinnvoll, im Netz nach einzelnen Sätzen einer Rezension zu suchen. Wenn die Formulierung wortgleich auf anderen Portalen auftaucht, sollte das misstrauisch machen.

Praktisch ist die Seite Reviewmeta.com. Der Dienst analysiert Amazon-Kundenrezensionen und gewichtet nach eigenen Kriterien. Er berücksichtigt mehr Faktoren als Amazon und bezieht andere Bewertungen der jeweiligen Rezensenten, identische Passagen, verdächtige Wortwiederholungen und die Länge der Kommentare mit ein. Auf dieser Grundlage ordnet Reviewmeta Rezensionen nach Glaubwürdigkeit und vergibt eine neue Gesamtnote. Auch dieses System ist nicht perfekt: Die Instar-Kamera fällt zwar von 4,5 auf 4,1 Sterne - die Stiftung Warentest sieht das deutlich kritischer.

© SZ vom 27.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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