Süddeutsche Zeitung

Amazon, Facebook & Co:Die Macht im Netz

Gerade in der Corona-Pandemie zeigt sich, wie bedeutungsvoll Amazon, Facebook & Co. geworden sind. Vielen ist das inzwischen unheimlich, einige wehren sich.

Von Thorsten Riedl

Google weiß, wo Sie gestern waren. Wen Sie getroffen haben. In welchem Restaurant oder Laden. Wie Sie hingekommen sind. Zu Fuß, mit dem Auto, mit der Bahn. Welche Apps Sie auf dem Weg genutzt haben, oder was Sie bewegt hat, sofern Sie auch unterwegs etwas mit der Internet-Suchmaschine nachgeschaut haben. Das US-Unternehmen führt sogar Aufzeichnungen, was Sie wo gekauft haben. Das alles ist problemlos machbar für die Datenkrake, sofern Sie ein Smartphone mit Google-Software oder die Dienste des US-Konzerns genutzt haben, wie den Kartendienst Map oder den Bezahlservice Pay. Und Google steht nicht allein da mit seinem Wissen - auch Amazon, Apple und Facebook lassen den gläsernen Bürger Realität werden. Gerade jetzt in Zeiten der Corona-Krise tritt die Macht der Tech-Konzerne zutage.

Google, Amazon & Co. durchdringen unser Leben. Das Smartphone von Apple oder eines von Samsung, Xiaomi oder Nokia mit Google-System stets in der Tasche, schnell nachschauen auf der Facebook-App, was die Freunde machen, abends noch eben etwas bei Amazon ordern, geliefert am nächsten Tag. Keine Frage, die angebotenen Services sind angenehm, einfach zu handhaben - und einige zumindest auf den ersten Blick gratis. Doch gerade unsere Bequemlichkeit hat die Konzerne groß gemacht, zur Nummer eins in ihrem jeweiligen Feld. Dabei sind alle vier nicht sonderlich alt. Apple, gegründet 1976, gibt mit 44 Jahren der Dinosaurier unter den Tech-Giganten. Amazon existiert seit 26 Jahren, Google seit 23, Facebook gar erst seit 16. Aus dem Alltag sind sie nicht mehr wegzudenken. Die Abhängigkeit und damit die Bedeutung der Technologiekonzerne zeigt sich gerade jetzt in den Zeiten der Pandemie. Während Lieferdienste unter der Flut der Pakete stöhnen, kommen die Sendungen von Amazon pünktlich an, dank der Amazon-eigenen Lieferflotte.

Bestellungen beim Online-Warenhaus sind explodiert. Der Konzern hat dieses Jahr schon mehrfach angekündigt, neue Mitarbeiter einzustellen - inzwischen summiert sich die Zahl auf mehr als 300 000 Jobs. Zur Hochzeit der Krise vermeldete Facebook, in vielen Ländern seien die verschickten Nachrichten via Facebook Messenger, WhatsApp oder Instagram nach oben geschnellt. Google gab Standortdaten von Milliarden Smartphone-Nutzern anonymisiert an Behörden weiter, die so feststellen konnten, wo sich viele - vielleicht zu viele? - Menschen während des Lockdowns trafen. Apple-Smartphones verkaufen sich unterdessen weiter gut, während die Rivalen bereits unter Kaufzurückhaltung der Konsumenten leiden.

In den Jahren seit ihrer Gründung haben die Tech-Unternehmen viel Macht angesammelt. Wenn Google den Suchalgorithmus ändert, Firmen anschließend weniger als zuvor beim Googeln im Netz gefunden werden, kann das Existenzen bedrohen. Amazon hat im Frühjahr bevorzugt die eigenen Waren ausgeliefert. Angebote von Händlern, die ebenso über Amazon verkaufen, wurden hinten angestellt und nur verzögert ausgeliefert.

Bei Facebook hält sich der Vorwurf, durch manipulative Werbung ganze Wahlen entschie-den zu haben. In der Woche vor der US-Präsidentschaftswahl in diesem November sollen keine neuen politischen Annoncen mehr auf Facebook erscheinen dürfen, hat Gründer und Chef Mark Zuckerberg bereits verkündet. Falschmeldungen müssen entschiedener gelöscht werden.

Doch es regt sich Widerstand. Irische Datenschützer untersuchen die Praktiken von Facebook, Daten des sozialen Netzes selbst sowie der Tochterunternehmen Instagram und WhatsApp in die USA zu übermitteln. Dort seien die Informationen nicht ausreichend vor Überwachung der US-Behörden geschützt, so der Vorwurf. Das Bundeskartellamt verbot Facebook, von seinen Nutzern pauschal die Zustimmung zum Sammeln umfangreicher Daten zu verlangen. Ein Gericht bestätigte die Entscheidung jüngst. In der Europäischen Union werden Gesetze vorbereitet, die es Amazon und Apple in deren Online-Shops verbieten, eigene Produkte gegenüber denen von Rivalen zu bevorzugen. "Das ist eine neue Ära", sagte Margrethe Vestager bereits, Vizechefin der Europäischen Kommission und zuständig für Digitales.

Auch in den USA werden die Zügel ge-strafft. Ende Juli mussten die Chefs von Amazon, Alphabet, Apple und Facebook vor dem Kongress Rede und Antwort stehen. Die Anhörung fand Corona-konform lediglich online statt - war in ihrer Form dennoch einmalig. Als "Kaiser der Online-Wirtschaft" oder "Cyber-Barone" bezeichneten die Kongressabgeordneten Amazon-Gründer Jeff Bezos, Facebook-Chef Mark Zuckerberg, Apple-CEO Tim Cook und Sundar Pichai, erster Mann bei der Google-Mutter Alphabet.

Amazon, Apple und Facebook gehören zu den teuersten Unternehmen an der Börse

Die Stimmung war aufgeheizt. David Cicilline von den Demokraten sagte: "Als Torwächter zur digitalen Wirtschaft haben diese vier die Macht, Gewinner und Verlierer auszuwählen, kleine Unternehmen zu erpressen und sich zu bereichern, während sie Konkurrenten abwürgen." US-Präsident Donald Trump drohte während der Anhörung via Twitter, er werde per präsidialem Dekret Fakten schaffen, sofern andere Politiker nur reden würden. Dass Trump nicht mit leeren Worten droht, hat er zumindest schon bei chinesischen Tech-Konzernen gezeigt. So hat er US-Unternehmen verboten, mit Huawei zusammenzuarbeiten. Der chinesische Konzern wird der Spionage verdächtigt, ohne Beweise. Für Huawei hat das zur Folge, dass auch Google-Dienste nicht mehr auf den Smartphones laufen. In der westlichen Hemisphäre sind die Geräte Ladenhüter geworden. Ähnlich lief es bei TikTok: Auch hier warf Trump dem Dienst für kurze Musikvideos des chinesischen Unternehmens Bytedance Spionage vor. Per Dekret verbot er die Nutzung der App - es sei denn, ein US-Anbieter würde TikTok übernehmen.

Auf die Politik zu warten, erfordert Langmut. Einige nehmen daher das Heft selbst in die Hand - so wie Fortnite-Entwickler Epic Games. Im Sommer hatte Epic eine Funktion bei dem populären Spiel auf Apple-Geräten aktiviert, durch die sich die Spielewährung V-Bucks direkt bei Epic kaufen ließ. Normalerweise hätte Apple für jeden Kauf 30 Prozent Provision bekommen. Apple sperrte daraufhin Epic komplett aus dem eigenen App Store für iPhones und iPads aus. Epic rief die Gerichte an. Apple geht dagegen an.

Es geht um Geld, viel Geld. Alphabet, Amazon, Apple und Facebook gehören zu den teuersten Unternehmen an der Börse. Apple ist mit einem Wert von knapp zwei Billionen Dollar sogar der wertvollste Börsenkonzern der ganzen Welt. Beide Seiten werden kämpfen - die einen für den Machterhalt, die anderen dagegen. Dabei werden die Kräfte des Wettbewerbs oft unter-schätzt. So erklärte Facebook-Gründer Mark Zuckerberg bei der Kongressanhörung vor Politikern: "Die Geschichte zeigt, sind wir nicht innovativ, wird jedes Unternehmen durch ein anderes ersetzt."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5041137
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 25.09.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.